WHO-Studie

So locken andere Länder Apotheker aufs Dorf

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Berlin -

Die Schere zwischen der Versorgungslage in den Städten und auf dem Land geht auseinander – das ist kein rein deutsches Phänomen. Verschiedene Länder gehen allerdings unterschiedliche Wege, um die flächendeckende Arzneimittelversorgung sicherzustellen. Eine kürzlich von der Weltgesundheitsorganisation veröffentlichte Studie gibt Einblick in regulatorische Gestaltungsmodelle mehrerer dutzend europäisch-asiatischer Staaten.

Um die 1300 Euro beträgt das monatliche Durchschnittseinkommen in Estland laut der Statistikbehörde des baltischen Staates. Ein Pharmazeut liegt auch dort über dem Gehaltsdurchschnitt der Gesamtbevölkerung – dennoch dürften auch für ihn 15.000 Euro eine ansehnliche Summe sein. So viel Geld erhält ein Apotheker dort nämlich vom Staat als Einmalzahlung, wenn er sich bereiterklärt, in einer Landapotheke zu arbeiten. Deren Definition ist gesetzlich festgeschrieben: Die Offizin muss mindestens 10 Kilometer von der nächsten Stadt entfernt sein, mindestens 5 Kilometer von der nächsten Apotheke und mindestens 30 Stunden an fünf Tagen pro Woche geöffnet sein.

Das beschreibt Luc Besançon, ehemaliger Generalsekretär und Geschäftsführer des Weltapothekerverbands FIP. Als Berater für die Weltgesundheitsorganisation WHO hat er vergangenes Jahr die Studie „Legal and regulatory framework for community pharmacies in the WHO European Region“ angefertigt, in der er auf knapp 100 Seiten die verschiedenen Wege skizziert, die Staaten bei der Ausgestaltung ihres Apothekenwesens gehen. Anlässlich des Weltapothekertages wurde sie Ende September veröffentlicht. Um einen strukturierten Vergleich handelt es sich dabei nicht, vielmehr zeigen Besançon und seine Mitautoren Tifenn Humbert und Hanne Bak Pedersen auf verschiedenen Themenfeldern Schlaglichter aus Ländern von Westeuropa bis Zentralasien auf.

Grundlegende Richtwerte aller Apothekenmärkte wie die Frage nach Fremd- und Mehrbesitzverbot, Bedarfsplanung, Arzneimittelversand, arbeitsrechtliche Vorschriften oder vorgeschriebene Ausbildungswege und Mindestqualifikationen werden darin nach Themen sortiert aufbereitet – allerdings jeweils nur durch Beispiele, nie als umfassender statistischer Vergleich. Ein Thema sind die eingangs erwähnten Anreizsysteme zur Förderung der Arzneimittelversorgung in ländlichen Gegenden.

Besonders relevant ist das in einigen der weitläufigen Länder der ehemaligen Sowjetunion wie Russland, Kasachstan, Usbekistan oder der Ukraine. Gemeinsam haben sie mit dem ungleich kleineren Moldawien das Anreizsystem für Landapotheker: Angehende Pharmazeuten können mit einem staatlichen Stipendium studieren, verpflichten sich dafür aber, nach dem Abschluss mindestens drei Jahre in einer staatlichen Apotheke auf dem Land zu arbeiten. In Moldawien und der Ukraine zahlen die jeweiligen Kommunen dabei sogar Unterstützung für Miete und Elektrizität. Die Schattenseite: „Aufgrund der sinkenden Zahl der staatlichen Apotheken zeigt sich das System als wenig effektiv bei der Verbesserung des Zugangs zu pharmazeutischer Beratung“, so Besançon.

Nicht direkt aus der Staatskasse, sondern aus einem Fonds versuchen die Schweden, ihre Landapotheken zu stützen: Beträgt der Abstand zur nächsten Apotheke mehr als 32 Kilometer, ist die Offizin das ganze Jahr geöffnet und beträgt der Umsatz aus rezeptpflichtigen Arzneimitteln zwischen 1 und 10 Millionen Schwedische Kronen (92.565 bis 925.656 Euro), erhalten sie aus dem Fonds eine finanzielle Unterstützung, die sich aus ihrem Umsatz berechnet. 2016 haben rund 30 abgelegene Apotheken auf diese Weise insgesamt über 10.000.000 Schwedische Kronen an Unterstützungsgeldern erhalten.

In Finnland wiederum setzt man auf Umverteilung, um pauschal kleineren Apotheken einen Vorsprung zu verschaffen: Auf Grundlage sowohl des OTC als auch Rx-Umsatzes müssen Apotheken eine eigene Steuer abführen. Mit zunehmendem Umsatz steigt auch die Höhe der Abgabe – große Apotheken zahlen bis zu 10 Prozent ihres Umsatzes mit Arzneimitteln, kleine dafür gar nichts. Landapotheken mit vergleichsweise geringem Umsatz verdienen somit mehr an einer einzelnen Packung als hochfrequentierte Innenstadtapotheken. Offenbar als besonderes Good-Practice-Beispiel richten Besançon und seine Mitautoren den Blick weg von Europa über den großen Teich: Liegt eine Apotheke in der kanadischen Provinz New Brunswick mehr als 25 Kilometer von der nächsten Apotheke entfernt, erhält sie einen Zuschlag aufs Honorar. Für die ersten 10.000 Verordnungen, die sie im Kalenderjahr bedient, bekommt sie jeweils 2 Dollar Zuschlag mehr.

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