Mangelndes Vertrauen

Skandal in China: Zum Impfen nach Japan

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Peking -

Seit in China der große Impfstoff-Skandal ausgebrochen ist, sucht Fang Fang im Internet nach günstigen Flügen. Ihre vierjährige Tochter ist bald fällig für die nächste Impfung und für die Mutter steht fest: „Wir lassen das nur noch in Japan machen.“

Das ohnehin schon kaum noch vorhandene Vertrauen in das Gesundheitssystem ihres Landes hat Fang Fang in diesen Tagen komplett verloren. Wie viele chinesische Eltern, die sich nun in Impf-Reisegruppen zusammenschließen, und mit ihren Kindern in die als sicher geltende Sonderverwaltungszone Hongkong oder ins Ausland fahren, ist Fang Fang fassungslos darüber, wie in ihrem Heimatland mal wieder die Gesundheit von Hunderttausenden Kindern aufs Spiel gesetzt wurde.

Wütend ist sie auf Changsheng Biotech, das Unternehmen im Mittelpunkt des aktuellen Skandals. Aber auch auf die Regierung, die wohl wegen zu lascher Aufsicht eine Mitschuld trägt.

Wie erst in diesen Tagen bekannt wurde, hat Changsheng im vergangenen Herbst einen unwirksamen und möglicherweise sogar gefährlichen Kombi-Impfstoff gegen Diphtherie, Tetanus und Keuchhusten verkauft, der mindestens 200.000 Kleinkindern verabreicht wurde. Zudem hat die Polizei Beweise gefunden, wonach das Unternehmen Papiere über die Produktionsdaten von Tollwut-Impfstoffen gefälscht haben soll.

Ein anderer Hersteller ist ebenfalls im Visier der Ermittler. So seien in der Provinz Hebei mehr als 140 000 Kindern schadhafte DPT-Impfstoffe des Wuhan Institute of Biological Products injiziert worden, berichtete die „China Daily“.

Dass sich Präsident Xi Jinping persönlich einschaltet und eine „harte Bestrafung“ fordert, zeigt, wie groß die Nervosität in Peking in diesen Tagen ist. Doch von der lückenlosen Aufklärung, die Chinas Staatsoberhaupt ebenfalls eingefordert hat, ist bislang nicht viel zu sehen.

Gegen 18 Mitarbeiter von Changsheng Biotech wurde Haftbefehl erlassen. Doch was ist mit Beamten oder Offiziellen, die ihre Aufsichtspflicht nicht nachgekommen sind oder sich womöglich sogar haben bestechen lassen? In staatlichen Medien, die ohnehin nur sehr dosiert berichten dürfen, ist von ihnen nicht die Rede.

Stattdessen arbeiten die Zensoren auf Hochtouren und löschen kritische Kommentare aus sozialen Netzwerken. Eine Gruppe von aufgebrachten Eltern, die am Dienstag vor der Pekinger Gesundheitsbehörde demonstrierte, wurde von Dutzenden Polizisten in Schach gehalten. Andere Eltern, die ausländischen Journalisten von Erkrankungen oder sogar Behinderungen ihrer Kinder erzählen, weil sie die fehlerhaften Impfstoffe erhalten haben, werden von der Staatssicherheit massiv unter Druck gesetzt.

Das Vorgehen erinnert an frühere Skandale, bei denen es Peking vor allem darum ging, die öffentliche Entrüstung einzugrenzen. Es begann 2008 mit dem durch Melamin verseuchten Milchpulver, von dem 300.000 Kleinkinder krank wurden, sechs starben.

2012 hatten Dutzende Pharmafirmen für Millionen Medizinkapseln Gelatine verwendet, die hohe Mengen an Chrom enthielt. Vor zwei Jahren gab es schon einmal einen Impfskandal, bei dem mangelhafte Impfstoffe in ganz China verkauft wurden.

Auf Konsequenzen stellen sich nun auch andere chinesische Pharmafirmen ein. Der Fall sei „für die gesamte Branche ein Desaster“, sagt Wu Yifang, Chef des Shanghaier Medikamente-Herstellers Fosun Pharma. Denn auch Firmen, die nicht am Skandal beteiligt sind, dürften nun von Verbraucher in Sippenhaft genommen werden.

Wie lange das Gedächtnis der Chinesen bei solchen Verbrechen ist, hat der Milchpulver-Skandal gezeigt: Auch heute, zehn Jahre später, werden die Regale in deutschen Drogeriemärkten noch regelmäßig von chinesischen Kunden leer gefegt, weil sie den Produkten der eigenen Hersteller einfach nicht mehr trauen.

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