Russland

Sibirien: Die Apotheke im Medizinzug

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Berlin -

Einsam, kalt, unzugänglich: Viele Dörfer Sibiriens sind abgeschieden, die medizinische Versorgung ist so gut wie nicht vorhanden. Das nächste Röntgengerät ist oft mehrere Hundert Kilometer entfernt. Deshalb werden von der russischen Regierung in Zusammenarbeit mit der Eisenbahngesellschaft fünf High-Tech-Medizinzüge eingesetzt, die medizinische Grundversorgung im ländlichen Sibirien sicherstellen sollen. An Bord ist auch eine Apotheke. Im letzte Wagon des Zuges „Heiliger Lukas“ befindet sich sogar eine Kirche – mit Glocken, Ikonen und einem Geistlichen.

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion haben viele Dörfer die Anbindung an die Zivilisation verloren. Es fehlen nicht nur Ärzte vor Ort, sondern auch öffentlicher Nahverkehr, der die Menschen zu medizinischen Einrichtungen bringt. Seit über zehn Jahren rollen daher fünf Krankenhäuser auf Schienen durch die besonders abgelegenen Regionen des flächenmäßig größten Landes der Welt. Für viele Bewohner der kleinen Dörfer ist es die einzige Möglichkeit, einen Arzt zu konsultieren.

Die acht bis zwölf Waggons sind allesamt vollgestopft mit erstklassiger Medizintechnik aus Japan und dem Westen: Vom Operationssaal über diagnostische Geräte wie EKG, Röntgen oder Ultraschall bis zum modernen Labor sind die Züge mit allem ausgestattet, was eine moderne Klinik benötigt. Der Zug „Heiliger Lukas“, der seit zehn Jahren in der Region um die sibirische Stadt Krasnojarsk eingesetzt wird, hat seit diesem Jahr sogar ein Mammografie-Gerät an Bord. Bei den Geräten handelt es sich um besonders robuste Sonderanfertigungen, damit die anspruchsvollen Technik die Fahrt unversehrt übersteht. Erst bei einer Temperatur von unter 50 Grad Minus muss der Zug seine Arbeit einstellen.

Auch eine Apotheke darf nicht fehlen. Denn nicht nur die medizinische, sondern auch die Arzneimittelversorgung ist lückenhaft. Betrieben wird die Bord-Apotheke von der staatlichen Apothekenkette aus Krasnojarsk. „Gubernskie Apteki“ betreibt in der Stadt und der Region insgesamt über 106 Apotheken und 127 Abgabestellen. Dort werden sowohl die von den Ärzten verschriebenen Medikamente abgegeben als auch rezeptfreie Arzneimittel verkauft. Nach Angaben der Apothekenkette geben die Kunden der mobilen Apotheke durchschnittlich viermal so viel Geld pro Einkauf aus wie die Kunden der städtischen Vor-Ort-Apotheken. Täglich bedienen die Pharmazeuten bis zu 150 Menschen.

Etwa genauso viele Patienten behandeln die 15 Ärzte in der mobilen Klinik pro Tag. Kostenlos. Im „Heiligen Lukas“ arbeiten beispielsweise Mediziner zehn unterschiedlicher Fachrichtungen, darunter Allgemein-, Kinder-, HNO- und Augenärzte. Aber auch ein Chirurg, Gynäkologe, Neurologe, Endokrinologe und ein Zahnarzt sind an Bord. Wenn die Kunst der Ärzte nicht ausreicht, konsultieren sie per Videokonferenz Russlands führende Mediziner im mehrere Tausend Kilometer entfernten Moskau. Dabei können beispielsweise auch Röntgen- oder Mammografiebilder übermittelt werden, die Satellitenanlage auf dem Zugdach macht es möglich.

Eine Tour pro Monat machen die Gesundheitszüge in ihren jeweiligen Regionen. Jede Tour dauert 12 bis 15 Tage. Danach haben die Ärzte und das restliche Personal zwei Wochen frei. Bis zu vier Tage, je nach Anzahl der Patienten, bleibt der Zug an jeder Station stehen. Jede Station wird aufgrund der Größe der Region allerdings nur einmal jährlich angefahren. Pro Jahr werden in jedem Zug bis zu 20.000 Patienten behandelt.

Rund 150.000 Euro investiert die Regionalverwaltung eigenen Angaben nach jährlich in die medizinische Ausstattung des Zuges. Weit mehr Geld gibt die regionale Eisenbahngesellschaft für den „Heiligen Lukas“ aus: Mehr als 700.000 Euro Betriebs- und Wartungskosten fallen jährlich an.

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