Semaglutid ohne Rezept: Gefälscht, gepanscht, gefährlich Katharina Brand, 08.08.2024 13:42 Uhr
Eine aktuelle qualitative Analyse aus Ungarn und den USA verdeutlicht, dass der illegale Online-Handel mit Semaglutid-haltigen Medikamenten nicht nur unsicher, sondern auch mit gesundheitlichen Risiken verbunden ist. Die Studie wurde kürzlich von der American Medical Association (AMA) in „JAMA Network Open“ publiziert.
Anlass der Studie ist die ungebrochene Popularität von Semaglutid-haltigen Medikamenten, die laut den Forschenden um Dr. Amir Reza Ashraf von der Universität Pécs in Ungarn durch Medienberichterstattung, soziale Medien und prominente Fürsprecher befeuert wird. US-Giftnotrufzentralen meldeten zuletzt einen Anstieg der Anrufe zu Semaglutid um 1500 Prozent, was die Notwendigkeit verstärkter Pharmakovigilanz unterstreicht.
Obwohl Semaglutid für langfristige Gewichtskontrolle zugelassen ist, wird es oft zur Gewichtsreduktion verwendet. Die hohe Nachfrage, die Kosten und die Knappheit führen zu einem Anstieg illegaler Anbieter, die Semaglutid ohne Rezept und gültige Lizenz online verkaufen. Diese stellen laut den Wissenschaftlern ein Risiko für Verbrauchende dar, da sie möglicherweise unwirksame oder gefährliche Produkte anbieten. Globale Aufsichtsbehörden wie die FDA, die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnen mittlerweile vor gefälschten Semaglutid-Präparaten.
Forschungsdesign
Im Juli 2023 führten Forschende strukturierte Suchen auf Google und Bing durch, um Websites zu finden, die Semaglutid ohne Rezept anbieten. Websites, die die Einschlusskriterien erfüllten, wurden für Testkäufe ausgewählt. Von jeder Website wurden zwei vorgefüllte Pens mit 0,25 mg pro Dosis oder entsprechende Semaglutid-Injektionsfläschchen bestellt.
Nach Erhalt der Produkte wurde eine visuelle Inspektion anhand der Checkliste der International Pharmaceutical Federation (FIP) durchgeführt und mit der echten Injektionslösung der Marke Ozempic à 1 mg Semaglutid verglichen. Anschließend wurden die Produkte gemäß den Richtlinien des Europäischen Arzneibuchs und der US-amerikanischen Pharmakopöe auf Qualität, Sterilität und mikrobiologische Kontamination getestet. Die Wirkstoffquantifizierung erfolgte mittels Flüssigkeitschromatographie-Massenspektrometrie. Die Testkäufe und analytischen Tests fanden von August 2023 bis März 2024 statt.
Hohe Anzahl fragwürdiger Angebote
Die Suchmaschinenüberwachung ergab 1080 Hyperlinks, von denen 763 zu Websites ohne Verkaufsangebote führten, darunter 615 Nachrichten- und Informationswebsites sowie 148 Telemedizin-Websites, die eine Beratung vor dem Kauf erforderten. 317 Links (29 Prozent) führten dagegen zu Online-Anbietern, von denen fast die Hälfte (134 Websites) illegal waren.
Sechs Online-Händler, die vom Internet- und Zahlungs-Compliance-Unternehmen LegitScript und/oder der National Association of Boards of Pharmacy als unseriös eingestuft wurden und parenterale Semaglutid-Produkte anboten, wurden für Testkäufe ausgewählt. Drei Händler verkauften vorgefüllte Semaglutid-Injektionspens mit 0,25 mg pro Dosis, drei boten Fläschchen mit gefriergetrocknetem Semaglutid zum Rekonstituieren an. Die Preise lagen zwischen 113 und 360 US-Dollar (umgerechnet zwischen rund 104 und 330 Euro).
Sechs bestellt, drei geliefert
Von den sechs gekauften Produkten wurden nur drei geliefert. Drei Verkäufer, die Ozempic-Injektionen verkauften, waren in Nichtlieferungsbetrug verwickelt und verlangten zusätzliche Zahlungen (650 bis 1200 US-Dollar, umgerechnet 596 bis 1100 Euro) für angebliche Zollgebühren.
Die im Test gekauften Produkte erreichten nur 8 oder 9 von 22 Punkten auf der FIP-Checkliste, während echtes Ozempic 22 Punkte erreichte. Qualitätsprüfungen zeigten, dass eine Probe erhöhte Endotoxinwerte (8,95 EU/mg) aufwies, obwohl keine Mikroorganismen nachgewiesen wurden. Die Ergebnisse der Flüssigkeitschromatographie-Massenspektrometrie bestätigten das Vorhandensein von Semaglutid in allen Proben, aber mit deutlich niedrigeren Reinheitsgraden (7 bis 14 Prozent). Der Semaglutidgehalt überstieg die angegebene Menge teilweise um 29 bis 39 Prozent, was laut Forschender auf eine mögliche Fälschung und erhöhte Gesundheitsrisiken hinweist.
Zwei der untersuchten Websites erhielten FDA-Warnschreiben wegen des Verkaufs von nicht zugelassenem und falsch etikettiertem Semaglutid.
Beschränkungen der Studie erkennen die Forschenden durch eine begrenzte Stichprobe aufgrund von Betrug mit Nichtlieferungen und den Ausschluss höherpreisiger Angebote. Dies habe die Generalisierbarkeit der Ergebnisse klar eingeschränkt.