Auch in der Schweiz klagen die Kliniken über fehlende Medikamtente. Krankenhausapotheker Dr. Enea Martinelli veröffentlicht gemeinsam mit Kollegen seit September nicht lieferbare Präparate auf einer Webseite. Mit Erfolg: Mittlerweile melden Pharmaunternehmen ihre Engpässe selbst bei ihm.
Im September hat Martinelli, Chefapotheker der Krankenhausgruppe Frutingen-Meiringen-Interlaken, die Meldeplattform drugshortage.ch gelauncht. Dort trägt er nicht verfügbare Medikamente ein und zeigt zudem Behandlungsalternativen auf. Nicht nur er informiert über die Engpässe: Auf der Plattform haben sich insgesamt 40 Personen registriert, die ebenfalls Meldungen eintragen – Kollegen aus öffentlichen Apotheken und Krankenhäusern, Ärzte und ein Großhändler. Innerhalb des Netzwerks beteiligten sich alle an der Arbeit; so sei der Aufwand zu stemmen, erklärt Martinelli.
Aktuell verzeichnet die Liste knapp 250 Lieferengpässe. Diese sind nach Hersteller, therapeutischer Gruppe sowie Präparat sortiert. Im Moment fehlten besonders viele Antibiotika, so Martinelli. Auch abgeschlossene Lieferschwierigkeiten werden auf der Webseite dokumentiert. Jede Woche wird ein Newsletter mit aktuellen Meldungen an 140 Abonnenten verschickt.
Martinelli hat die Idee für seine Meldeplattform von einer kanadischen Webseite übernommen. In Kanada sind Hersteller gesetzlich verpflichtet, sämtliche Medikamentenengpässe zu melden. In der Schweiz gilt eine Meldepflicht nur für die 60 Wirkstoffe, die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als unverzichtbar deklariert wurden. Kann ein Pharmaunternehmen eines dieser Arzneimittel nicht liefern, muss es das beim Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL) melden. „Aber das sichert nur eine Medikamentenversorgung auf dem Niveau eines Entwicklungslandes“, kritisiert Martinelli. Dabei sei jede Lieferschwierigkeit für die Planung in den Apotheken relevant.
Fehlt nur das Präparat eines bestimmten Unternehmens, ist die Versorgung aus Sicht des Amts weiterhin gewährleistet, da noch alternative Medikamente mit dem gleichen Wirkstoff vorhanden sind. „Die Patientensicherheit kann aber dadurch schon gefährdet sein“, sagt Martinelli. Denn die Patienten müssten kurzfristig auf ein anderes Präparat umgestellt werden.
Martinelli fordert Pharmaunternehmen daher auf, sich auf seiner Plattform zu registrieren und Engpässe freiwillig zu melden. Denn: „Nur derjenige, der den Lieferengpass eingetragen hat, kann ihn auch aktualisieren, sobald er bewältigt ist“, erklärt er. Es sei im Interesse der Unternehmen, sofort informieren zu können, wenn ein Engpass nicht mehr bestehe. „Ich setze also auf den Gruppendruck“, so Martinelli. Das zeigt Wirkung: Inzwischen tragen bereits fünf Firmen ihre Lieferschwierigkeiten selbstständig im Portal ein.Detail
In Deutschland melden die Hersteller Engpässe freiwillig. Bereits seit April 2013 führt das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eine entsprechende Liste. Eine gesetzliche Meldepflicht für bei drohenden Lieferengpässen sei derzeit nicht geplant, hieß es im Oktober aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) auf eine kleine Anfrage der grünen Abgeordneten Kordula Schulz-Asche. Aktuell werden 23 Präparate als defekt geführt.
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