Schweiz

Die Hanf-Apotheke Katharina Lübke, 20.09.2014 11:33 Uhr

Berlin - 

Will man in der Schweiz Cannabis kaufen, gibt es – von illegalen Dealern abgesehen – nur einen Ort: die Bahnhof-Apotheke in Langnau. Dr. Manfred Fankhauser ist der einzige Apotheker in der Schweiz, der Cannabis verarbeiten und verkaufen darf. Bereits seit 2007 gibt er Dronabinol-Tropfen (Tetrahydrocannabinol) ab, seit 2011 verarbeitet er auch natürliches Hanf zu einer Tinktur. „In Europa sind wir wohl die einzigen“, sagt er.

Im Juli 2011 lockerte die Schweiz die Regeln für die Nutzung von Hanf als Medikament – Cannabis als Heilmittel wurde erlaubt, ebenso wie der Anbau und die Verarbeitung zu diesem Zweck. 14 Tage nach Inkrafttreten der Lockerung stellte Fankhauser den notwendigen Antrag beim Bundesamt für Gesundheit (BAG). Da hatte er schon jahrzehntelange Erfahrungen mit Hanf: Nach dem Pharmaziestudium promovierte er über „Haschisch als Medikament“ und baute sich ein Experten-Netzwerk auf.

Bereits 2007 hatte Fankhauser vom BAG eine Ausnahmebewilligung für Dronabinol erhalten. Zwar war laut Gesetz alles verboten, was aus der Hanfpflanze hervorgeht, doch THC kann synthetisch gewonnen werden. Patienten brauchen ebenfalls eine Bewilligung des BAG, damit ihnen ein Arzt Cannabis – entweder als Dronabinol oder seit 2011 als Tinktur – verschreiben kann. Das Kraut darf nicht verordnet werden.

Grundsätzlich könnte jede Schweizer Apotheke die Genehmigung beantragen, sagt Fankhauser. „Wir waren die Einzigen, die die administrativen Hürden genommen haben.“ Kenne man sich nicht aus, seien diese mühsam und machten das Geschäft unrentabel. Jede einzelne Pflanze, die Sorte und die Menge, müsse bewilligt werden. Ebenso müsse jeder einzelne Patient genehmigt werden.

Auch die Sicherheitsvorkehrungen seien aufwendig und teuer. Gerade lasse Fankhauser einen speziellen alarmgesicherten Raum mit Sicherheitsglas und dergleichen bauen, „etwa wie in einem Schmuckgeschäft.“ Das sei wichtig, denn wenn jemand einbreche, würde er die Genehmigung verlieren. Den Anbau der Pflanzen übernimmt ein Unternehmen im Osten der Schweiz im Auftrag von Fankhauser; ein Chemiker verarbeitet die Pflanzen im Labor zur Tinktur.

Das schnelle Geld sei Hanf nicht. „Zu Beginn ist es ein Verlustgeschäft“, sagt Fankhauser. Mittlerweile sei der Verkauf der Cannabisprodukte ein wichtiges Standbein für ihn. Er habe sogar mehr Personal einstellen müssen. Fankhauser selbst stehe praktisch nicht mehr in der Apotheke, sondern widme sich ganz dem Cannabis-Geschäft. Der Beratungsaufwand der Kunden sei enorm. „Das sind schwerkranke Patienten, die Schmerzen haben und einen kompliziertem Klärungsbedarf. Das geht nicht in zwei Minuten, da braucht man schon ein halbe Stunde“, sagt Fankhauser.

Seit 2007 hat er rund 1000 Patienten mit den beiden Produkten versorgt, allein mit der Tinktur seit 2011 etwa 400. Derzeit versorgt er rund 300 Patienten regelmäßig. Zwei Drittel davon seien Schmerzpatienten. Schmerzen und Spastiken seien die beiden Hauptindikationen. Viele Patienten mit Multipler Sklerose (MS) seien darunter, aber auch Patienten mit Tumoren, Glaukomen, neuropathischen Schmerzen, neurologischen Ticks oder Tremoren.

In der Regel bekomme Fankhauser pro Tag zwischen fünf und zehn Anfragen, drei Viertel kämen aus dem Ausland, vor allem aus Deutschland. Gerade heute morgen seien drei E-Mails von Krebspatienten aus Deutschland eingegangen. Jedoch dürfe er ausschließlich Kunden in der Schweiz beliefern. Fankhauser rechnet damit, dass es noch mehr Patienten werden – trotz der recht hohen Kosten.

10 bis 20 Franken am Tag müsste ein „typischer Patient“, also etwa ein MS-Patient mit Spastiken, für die Behandlung ausgeben. Die Krankenversicherungen übernehmen die Behandlungskosten nicht. Zunehmend problematisch findet er die steigende Anzahl von E-Mails an ihn. „Wir werden teilweise überflutet mit Anfragen“, so Fankhauser, der versucht, alle zu beantworten. „Zum Teil sind die Erwartungen an Cannabis zu hoch“, schätzt er. Immer wieder seien Patienten enttäuscht. „Hanf kann viel, aber es ist kein Wundermittel.“

Aber nicht nur Patienten meldeten sich, auch für viele Verbraucher aus der Kifferszene sei er mittlerweile zur Anlaufstelle geworden. Etwa werde er aufgefordert, Gutachten zu schreiben oder Auskunft über rechtliche Probleme zu geben. „Ich muss mich mit Kifferproblemen herumschlagen. Ich möchte und kann das aber nicht beantworten“, sagt Fankhauser. „Ich habe genug zu tun, mich um die Patienten zu kümmern.“