Schweiz

Apothekenrezeptur hilft Flüchtlingen

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Berlin -

Tabletten gegen die Krätze sind in der Schweiz nicht mehr auf dem Markt – die Hautkrankheit galt als ausgerottet. In Flüchtlingsunterkünften ist sie jedoch weit verbreitet. Eine Berner Apothekerin hilft Erkrankten, indem sie Kapseln selbst herstellt. 

Caterina Riva, Inhaberin der Berner Apotheke Unitobler, fühlte sich angesichts des Flüchtlingszustroms hilflos. Die politische „Ohnmacht“, die Asylbewerber zu versorgen und unterzubringen, habe sie dazu motiviert, selbst aktiv zu werden. Als von einer nahe gelegenen Unterkunft im Herbst 2014 die Anfrage kam, ob sie ein Mittel gegen Krätze bereitstellen könne, war sie sofort dabei.

Gemeinsam mit ihrer Betriebsleiterin und angestellten Apothekerin Ursina Lakomy entschied Riva, selbst Kapseln in der Apotheke herzustellen. Denn so wie auch in Deutschland sind Tabletten gegen Krätze mit dem Wirkstoff Ivermectin in der Schweiz nicht mehr registriert. Daher dürfe sie das Arzneimittel auch nicht in der Apotheke lagern. „Die Tabletten waren einmal zugelassen, das Medikament ist sicher. Aber da kaum jemand mehr an Krätze erkrankt ist, war es nicht mehr nötig“, erklärt Lakomy.

Eine Salbe gegen die Hautkrankheit sei ebenfalls nicht mehr erhältlich, kann aber ebenfalls bei Bedarf hergestellt werden. „Doch diese muss lokal angewandt werden, das ist kompliziert bei vielen Fällen“, sagt sie.

Die Apotheke bestellte daher 100 Gramm des Wirkstoffs. Für einen Erkrankten genügen meist 12 Milligramm der Substanz, verteilt auf vier Kapseln – entsprechend weit reicht der Vorrat. Riva bot daher an, das Medikament in größerer Menge herzustellen. Im vergangenen Jahr hat sie 2000 Kapseln abgegeben; im laufenden Jahr wurde diese Anzahl bereits überschritten.

Inzwischen beliefert sie mehrere Flüchtlingsheime, nicht nur im Kanton Bern. „Wenn die jeweilige Kantonsapotheke zustimmt, können wir auch dort Unterkünfte beliefern“, sagt Lakomy. Für das Ausland dürfe sie allerdings nicht auch noch herstellen, betont sie.

Der Vorteil der Eigenherstellung ist, dass Lakomy schnell auf dringende Nachfragen reagieren kann. Maximal kann die Apotheke Unitobler etwa 400 Kapseln pro Tag herstellen. Als weiterer Service kommen telefonische Beratungsgespräche zum Medikament hinzu. Auch die Abrechnung der belieferten Rezepte verläuft ganz unterschiedlich, was ebenfalls zeitaufwändig ist. „Wir verkaufen die Kapseln quasi zum Selbstkostenpreis“, sagt Lakomy.

Als Rezeptur können Tabletten mit dem Wirkstoff an eine Einzelperson oder an eine ganze Personengruppe abgegeben werden. Bei Rezepturen, die für mehrere Personen bestimmt sind, liefert die Apotheke die Medikamente zunächst an den Arzt des Heims. Dieser wiederum verteilt die Medikamente und teilt der Apotheke schriftlich mit, wer die Tabletten bekommen hat.

In anderen Kantonen gibt es andere Beschaffungsmethoden für das Medikament. Entweder importiert eine Krankenhausapotheke die Tabletten oder der Arzt eines Asylzentrums bestellt es. „Die Armeeapotheke denkt darüber nach, die Tabletten in größeren Mengen aus anderen Quellen zu bestellen“, berichtet Lakomy. In Frankreich etwa ist das Arzneimittel zugelassen. Wie weit diese Pläne fortgeschritten sind, wisse sie nicht.

Die Apotheke Unitobler hilft Flüchtlingen nicht nur mit den Kapseln. Die Angestellten haben auch persönlichen Kontakt zu den Asylbewerbern, die als Kunden in ihre Apotheke kommen. Manchmal gebe es Sprachprobleme. „Aber sie bemühen sich, eine Sprache zu finden, auf der wir uns verständigen können“, sagt Lakomy. Das könne Englisch, Französisch, Italienisch und manchmal auch Deutsch sein. Manche Asylbewerber hätten auch einen Übersetzer dabei. „Und sonst verständigt man sich mit Händen und Füßen“, sagt die Apothekerin.

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