Gesundheitsausschuss stimmt für Festpreise

Schweiz: Apotheker sollen nur noch das Billigste abgeben

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Berlin -

Die Standesvertretung der Schweizer Apotheker steht vor einer großen Niederlage: Mehr als zwei Jahre ist der Schweizer Apothekerverband Pharmasuisse gegen die Einführung eines sogenannten Referenzpreissystems Sturm gelaufen, samt Demonstration in Bern und Petition mit 200.000 Unterschriften. Doch es war offenbar vergebens. Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-N) – das Pendant zum deutschen Bundesgesundheitsausschuss – hat die Regelung vergangene Woche beschlossen, sie geht jetzt als Empfehlung an die Schweizer Regierung, die sie nach Stand der Dinge umsetzen wird. Auch der sogenannte Vertriebsanteil soll demnach zu Ungunsten der Apotheker reformiert werden.

Der Name des Reformpakets erklärt schon ausreichend, worum es bei den Neuregelungen gehen soll: „Maßnahmen zur Kostendämpfung in der Krankenversicherung“. Paket 1a wurde vergangenes Jahr beschlossen, nun hat der SGK-N zwei der drei Vorschläge aus Paket 1b verabschiedet. Und die haben es aus Apothekensicht in sich: „Die Kommission nahm zwei Anträge an mit dem Ziel, die Ausgaben für Medikamente zu senken“, heißt es aus dem Schweizer Parlament. Erstens sollen die Apotheker und die selbstdispensierenden Ärzte verpflichtet werden, das preisgünstigste Medikament abzugeben, wenn mehrere medizinisch gleich geeignete Arzneimittel mit gleicher Wirkstoffzusammensetzung von der Krankenversicherung übernommen werden. Die Kasse zahlt dann nur noch den Preis des günstigsten Präparats. Wünscht der Patient ausdrücklich ein anderes, muss er die Differenz selbst zahlen. Zweitens soll der Vertriebsanteil für austauschbare Medikamente fix sein und sich am günstigen Produkt orientieren.

„Konsterniert“ habe Pharmasuisse das Votum zur Kenntnis genommen. Von den Apothekern kommt entschiedener Protest: „Grundsätzlich verteidigt der Schweizerischer Apothekerverband Pharmasuisse die Praxis, dass Patientinnen und Patienten das am besten geeignete Arzneimittel zu den niedrigsten Kosten erhalten und nicht das billigste“, so der Verband auf Anfrage. „Das sogenannte ‚Billigstprinzip‘ missachtet die Qualität, zerstört den Wettbewerb und gefährdet die Versorgungssicherheit. Wenn Apotheker oder abgebende Ärzte verpflichtet werden, das preisgünstigste Medikament abzugeben, werden chronische Patienten gezwungen, die Medikamente häufig zu wechseln, was die Therapietreue und den Therapieerfolg gefährden und/oder sie müssen die Preisdifferenz aus der eigenen Tasche bezahlen.“

Ein besonders toxisches Gemisch bildet dabei die gleichzeitige Einführung von Referenzpreissystem und neuem Vertriebsanteil. Denn der reformierte Vertriebsanteil behindere die Förderung der Abgabe von preiswerten Generika, weil die Vertriebsmargen der Originale höher sind. Gleichzeitig hätten sich die Medikamenten-Preisklassen in den vergangenen Jahren erheblich verschoben: Laut Iqvia-Zahlen machen fast 98 Prozent der Arzneimittel der Spezialitätenliste (SL), also der erstattungsfähigen Rx-Präparate, weniger als 50 Prozent der von der Krankenversicherung übernommenen Kosten aus. Der Anteil der Generika an den Packungszahlen steige, ihr Anteil an den Kosten wiederum sinke. „Fallen die Fabrikabgabepreise jedoch deutlich unter 15 Franken, wirkt sich dies in hohem Masse auf den Vertriebsanteil aus“, so Pharmasuisse. Ganz im Gegensatz zu den steigenden Logistikkosten aufgrund des zunehmenden Mengenwachstums bei den Medikamenten würden die Vertriebseinnahmen kontinuierlich sinken. „Mit dem heutigen System arbeiten die Offizinapothekerinnen und -apotheker, die einen hochstehenden Service public erbringen, mehr und verdienen weniger!“, so der Verband.

Deshalb fordere Pharmasuisse, „dass das Eidgenössische Departement des Innern/Bundesamt für Gesundheit (BAG) ein anderes Abgeltungsmodell einführen, das die Fehlanreize eliminiert.“ Bei dieser Forderung erhält Pharmasuisse Rückendeckung vom Kassenverband Curafutura. Beide fordern, dass der Vertriebsanteil, mit dem die Logistikleistungen von Apotheken und Großhändlern abgegolten werden, vom Fabrikabgabepreis des Medikaments gelöst wird: Der Fixzuschlag je Rx-Packung solle 14.85 Franken betragen, inkl. Personalkosten für Logistik und patientenbezogene Leistungen sowie Leistungen der Großhändler. Hinzu solle ein Prozentzuschlag für Rx- Arzneimittel in Höhe von 3Prozent des Fabrikabgabepreises kommen. Insgesamt solle der Zuschlag je Packung bei maximal 300 Franken liegen.

Das Referenzpreissystem gehe darüber hinaus am tatsächlichen Bedarf vorbei: Neben dem Mengenwachstum wegen der älter werdenden Bevölkerung finde die Kostenzunahme im Arzneimittelbereich hauptsächlich im innovativen und hochpreisigen Segment statt, während die patentabgelaufenen Arzneimittel, die für die medizinische Grundversorgung von zentraler Bedeutung sind, ständig günstiger würden, wendet der Verband ein. „Patienten müssen befürchten, dass das System nicht zur nachhaltigen Sicherstellung einer sehr guten Versorgung eingesetzt, sondern – anders als kommuniziert – ein Billigkeitsprinzip einführt.“

Das könne – ähnlich wie in Deutschland – langfristig das Problem von Arzneimittellieferengpässen verschärfen: Denn der hohe Preisdruck verdränge Schweizer und europäische Hersteller zugunsten von Billigproduzenten in Ostasien. „Der Schweiz droht eine Versorgungskrise aus rein wirtschaftlichen Gründen“, warnt Pharmasuisse. Effizienter sei es, die Wirkstoffverschreibung sowie Biosimilars zu fördern oder die Verschwendung von teuren Arzneimitteln zu reduzieren, unter anderem durch Einzel- oder fraktionierte Abgabe mit Blistering oder elektronischen Dispensern oder Begleitung mit Disease-Management-Programmen unter Einbezug von Apothekern.

 

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