Schweiz

Ärzte: Kein Umweg in die Apotheke

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Berlin -

In der Schweiz ist der Streit um die ärztliche Selbstdispensation neu entbrannt. Die Ärzte bemängeln, für die Medikamentenberatung und -abgabe schlechter bezahlt zu werden als die Apotheker. Der Ärzteverband FMH hat nun vorgeschlagen, dass die Selbstdispensation ausschließlich über den Vergütungskatalog der Mediziner honoriert wird. Der Apothekerverband glaubt den Ärzten nicht und wirft ihnen erneut einen Interessenkonflikt vor.

In der Schweiz gibt es keine einheitliche Regelung zu den Praxisapotheken: In 15 Kantonen ist die Abgabe durch den Mediziner eingeschränkt oder komplett erlaubt. Während die Apotheker pro abgegebener Packung einen Fixzuschlag plus einer Marge von 12 Prozent bekommen, erhalten die Mediziner ausschließlich die Marge. Bereits heute können die Ärzte über ihren Leistungskatalog zusätzlich die Medikationsberatung abrechnen.

Insbesondere die Apotheker kritisieren dieses Modell: Ihrer Ansicht nach profitieren die Ärzte doppelt. Auch in der Politik mehrten sich im vergangenen Jahr die Forderungen nach einem neuen Vergütungssystem. Ärzte- und Krankenkassenverband hatten daher Verhandlungen über ein neues Modell begonnen: Demnach sollen die Ärzte künftig auch ihre Kosten für Logistik und Lagerhaltung über den Leistungskatalog abrechnen.

Medienberichten zufolge sind die Verhandlungen zuletzt jedoch ins Stocken geraten, weil die Ärzte zusätzlich auf den Fortbestand der Marge pochen. Die Mediziner wollen einlenken, fordern dafür aber die Aufnahme eines neuen Berechnungsfaktors in den Leistungskatalog: die Honorierung der Praxisassistenten, die für die Lagerhaltung in den Praxen zuständig sind. Zudem wollen die Mediziner Extra-Zuschläge für beratungsintensive Medikamente.

Der Apothekerverband bezeichnet diesen Vorschlag als „völlig unglaubwürdig“: „Entweder nimmt sich der Arzt Zeit, um die Patienten über die Medikamenteneinnahmen zu beraten, und dann ist er nicht günstiger als der Apotheker mit seinem tarifierten Leistungen, oder er lügt und berät nicht“, so ein Sprecher.

Die Apotheker nutzen die Gelegenheit, um erneut mit den Praxisapotheken abzurechnen: Über die Margen verdienten die Mediziner jährlich zusätzliche 470 Millionen Schweizer Franken (umgerechnet rund 380 Millionen Euro). Sie betrieben zudem „Rosinenpickerei“: Während der Apotheker dauerhaft bis zu 10.000 Artikel an Lager habe, führe der Arzt durchschnittlich 50 bis 200 Medikamente. Hinzu komme, dass in Ärztenetzwerken das Sortiment so eingeschränkt werde, das möglichst hohe Mengen mit einzelnen Herstellern erreicht würden.

Auch der Einfluss der Ärzte auf den Großhandel steht in der Kritik: Letztlich sei die Grossistin und häufig als Medikamentenlieferantin genutzte Versandapotheke Zur Rose in Ärztebesitz. „Damit verdienen Ärzte auch in Kantonen mit Einschränkung der Selbstdispensation an ihrer Verschreibung“, so ein Sprecher des Apothekerverbandes.

Die Ärzte hingegen verteidigen die Möglichkeit der Selbstdispensation: In Kantonen ohne Praxisapotheken gebe es wesentlich höhere Arzneimittelausgaben pro Versichertem. Zudem sei gerade im Krankheitsfall die Abgabe in der Praxis praktisch: „Der Umweg in die Apotheke fällt weg“, so ein Sprecher des Ärzteverbandes.

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