Schweiz

Apotheken werden Koordinationsstellen Eugenie Ankowitsch, 01.11.2016 08:00 Uhr

Berlin - 

In der Schweiz sollen Apotheker nach Vorstellungen des Bundesrates in Zukunft zusätzliche Aufgaben in der ambulanten Versorgung übernehmen. Der Apothekerverband Pharmasuisse unterstützt zwar den Plan, fordert aber „völlig neue Vergütungsprinzipien mit richtigen Anreizen“.

Apotheker dürfen künftig zusätzliche Aufgaben in der ambulanten medizinischen Versorgung übernehmen – etwa bei der Abgabe von Rx-Medikamenten bei leichten Erkrankungen, in der Prävention und bei der therapeutischen Begleitung chronisch kranker und betagter Menschen mit mehreren Erkrankungen. Dies zeigt der Bundesrat in einem neuen Bericht auf, der sich mit der Rolle der Apotheker in der Grundversorgung befasst.

Darin kommen die Experten zum Schluss, dass „in Anbetracht der künftigen Herausforderungen im Gesundheitswesen eine Neupositionierung der Apothekerinnen und Apotheker in der Grundversorgung stattfinden soll“. Sie sollen demnach stärker als Beobachtungs-, Beratungs- und Koordinationsstelle eingesetzt werden. „Apotheken kommt in der medizinischen Grundversorgung eine wichtige Rolle zu, da sie für viele Menschen einen einfachen und niederschwelligen Zugang zu medizinischer Beratung bieten“, heißt es auch seitens des Bundesamtes für Gesundheit (BAG).

Pharmasuisse begrüßte den Bericht des Bundesrates. „Das große, bisher ungenutzte Potenzial der Apotheken als erste Anlauf- und Orientierungsstelle bei gesundheitlichen Problemen ist mit diesem Bericht anerkannt und bestätigt worden“, sagte Verbandspräsident Fabian Vaucher. Mit der Behandlung von häufigen und leichten Erkrankungen vermögen die Apotheken spitalambulante Notfalleinrichtungen und Hausärzte von Bagatellfällen zu entlasten und das Bedürfnis von Patienten nach einer raschen Lösung eines gesundheitlichen Problems abzudecken – „immer im Hinblick auf maximale Kosteneffizienz“.

Die rechtlichen Rahmenbedigungen für die Neupositionierung setzen zumindest teilweise die Novelle des Heilmittelgesetztes (HMG) und des Medizinalberufegesetzes (MedBG). So soll das geänderte HMG, das die Abgabe und Zulassung von Arzneimitteln und Medizinprodukten regelt, Apothekern erlauben, für leichte Erkrankungen bestimmte verschreibungspflichtige Arzneimittel auch ohne Rezept abzugeben, sofern die Abgabe nach direktem Kontakt erfolgt und dokumentiert wird. Bis 2019 soll nach Angaben von Vaucher die Liste von Medikamenten und Indikationen erstellt werden. Dann soll auch die HMG-Novelle zumindest teilweise in Kraft treten.

Der Preis der erweiterten Kompetenzen: Die Apotheker müssen einen Löwenanteil des OTC-Geschäftes abgeben. Vaucher rechnet damit, dass etwa 70 der insgesamt rund 100 Medikamente von der C- in die D-Liste entlassen werden und in Drogerien verkauft werden dürfen. Die verbleibenden 30 Medikamente würden der Liste B zugeschlagen. Damit wird Liste C aufgelöst und die Anzahl der Listen zukünftig von fünf auf vier schrumpfen.

Die Supermarktketten, die eine Liberalisierung des OTC-Marktes anstreben, könnten dabei leer ausgehen. Für die Liste E erwartet Vaucher keine großen Veränderungen. „Paracetamol wird man nie in den Supermarktregalen finden können“, versichert er.

Nicht geklärt sei im Gesetz allerdings die Kostenübernahme. Nach bisherigem Stand müssten Patienten, die auf einen Arztbesuch verzichten und stattdessen zum Apotheker gehen und sich dort ein eigentlich rezeptpflichtiges Medikament holen, sowohl die Beratung als auch das Medikament selbst bezahlen. Pharmasuisse rechnet damit, dass je nach Indikation 15 bis 60 Franken fällig werden. Auch wenn eine vom Verband in Auftrag gegebene Studie zeige, dass zumindest die urbane Bevölkerung durchaus bereit wäre, bis zu 100 Franken pro Fall zu zahlen, streben die Apotheker laut Vaucher zumindest die Übernahme der Arzneimittelkosten durch Krankenkassen an.

Es sei aber auch „an der Zeit, die Vergütungsmodelle zu überdenken, insbesondere bei der Optimierung der Arzneimitteltherapie zugunsten des Patienten“. Bei der interprofessionellen Zusammenarbeit brauche es ebenfalls neue Modelle, um „diese Arbeiten an Schnittstellen tarifieren zu können“, sagte er.

Die Kompetenzerweiterung zieht auch Veränderungen für die Aus- und Weiterbildung nach sich. Die Novellierung des MedBG definiert unter anderem neue Lernziele für angehende Pharmazeuten in der Schweiz. Darin steht, dass Pharmaziestudenten nicht nur in der Herstellung von Arzneimitteln und deren Wirkungsweisen geschult werden müssen. Sie sollen sich auch „Grundkenntnisse über Diagnose und Behandlung häufiger Gesundheitsstörungen und Krankheiten“ sowie für das Impfen aneignen. 2020 rechne man in der Schweiz mit den ersten Hochschulabgängern, die die geforderten Kompetenzen in Diagnostik und Therapie sowie für das Impfen haben. Für die bereits ausgebildeten Apotheker sieht die MedBG-Novellierung eine Weiterbildungsverpflichtung vor.