Schweden verzichtet auf Voll-Apotheker Patrick Hollstein, 11.06.2009 13:32 Uhr
In Schweden gelten in wenigen Wochen keinerlei Beschränkungen mehr, was Fremd- und Mehrbesitz von Apotheken angeht. Wie von Gutachter Lars Reje nach Forschungsreisen in Norwegen, Großbritannien und Kanada empfohlen, darf ab Juli jede private und juristische Person – abgesehen von Pharmaherstellern und Ärzten – so viele Apotheken eröffnen wie sie will. Die konservative Koalitionsregierung in Stockholm geht sogar noch weiter: Für den Betrieb der Apotheken ist kein fünfjähriges Universitätsstudium notwendig.
Schweden hat bereits das Bachelor/Master-System in die pharmazeutische Hochschulausbildung eingeführt. Neben dem Berufsbild des Apothekers gibt es eine Qualifikation als Rezeptar, die nach dreijährigem Studium erworben wird und die künftig für die Leitung einer Apotheke ausreicht. Laut Gesetz sollen die Apotheken von einem Master der Pharmazie oder einem anderen qualifizierten Pharmazeuten geleitet werden. Die genauen Anforderungen legt die Aufsichtsbehörde fest.
Laut einer Sprecherin des Gesundheitsministeriums sind bereits heute in den meisten Apotheken des Staatsbetriebs Apoteket Pharmazeuten mit dreijähriger Ausbildung verantwortlich. „Wir haben eine große Zahl sehr qualifizierter Bachelors. Es wäre eine Verschwendung an Ressourcen, wenn wir diese nicht nutzten“, so die Sprecherin.
Der Verzicht auf das pharmazeutische Vollstudium ist in Europa so gut wie einmalig: Außer in Estland muss in jedem Land ein Apotheker für den Betrieb der Apotheke gerade stehen. In anderen Ländern, in denen nach Bologna-System ausgebildet wird, dürfen Bachelors nur in der Industrie oder unter Aufsicht in Apotheken arbeiten. In Finnland dürfen nur Filialen durch Bachelors geleitet werden.
Vorstöße, entsprechende Anforderungen an die vollumfängliche Qualifikation des Apothekenleiters abzuschaffen, wurden aus Gründen der Arzneimittelsicherheit stets politisch niedergerungen. Selbst die vorübergehende Abwesenheit des verantwortlichen Apothekers wird kontrovers diskutiert.
Entsprechend energisch – wenngleich erfolglos – protestierte der Europäische Apothekerverband PGEU gegen das Vorhaben der schwedischen Regierung. Die sofortige Verfügbarkeit eines Apothekers in der Apotheke, ob auf Anfrage des Patienten oder zur Überwachung der pharmazeutischen Mitarbeiter, sei ein unersetzliches Element der Patientensicherheit, so der Verband in seiner Stellungnahme.
Weder ökonomische Erwägungen noch ein erwarteter oder tatsächlicher Mangel an Apothekern rechtfertigten ein solches Vorgehen, das auf Dauer zu einer „Entqualifizierung“ der Apotheker und damit zu einer erhöhten Gefahr für die Verbraucher führe.