Virtuelle Realität

Apotheken-Brille gegen Schmerzen

, Uhr
Berlin -

Mit der Virtual-Reality-App HappyPlace bietet die schwedische Apothekenkette Hjärtat ihren Kunden eine Ergänzung zur Einnahme von Medikamenten: Schmerzpatienten sollen im Cyberspace ihre Schmerzen eine Zeitlang vergessen können.

VR-Brillen revolutionieren nicht nur das Erleben von Videospielen. Sie können auch einen Raum für sozialen Umgang schaffen – und auch aus medizinischer Sicht können sie offenbar Einiges bieten. Seit rund zehn Jahren werden Studien zu dem Effekt, den das VR-Spiel auf die Schmerzwahrnehmung hat, durchgeführt. Während es bei chronischen Schmerzen nur vereinzelt Forschungsprojekte gibt, werden bei der Behandlung akuter Schmerzen eine ganze Reihe von Studien durchgeführt.

Hjärtat hat nach eigenen Angaben als erste Apothekenkette der Welt eine Virtual-Reality-App für Oculus Rift, die VR-Brille von Facebook, entwickelt. Ziel ist es, den Benutzern zu helfen, mit ihren Schmerzen besser fertig zu werden. „Happy Place“ heißt die Applikation, die kostenlos im Oculus Store heruntergeladen werden kann. Die Brille kostet im Elektronikfachhandel rund 600 Euro.

„Wir wollen an der Spitze zu sein, wenn es darum geht, Produkte und Dienstleistungen anzubieten, die den Menschen helfen, sich besser fühlen“, sagt Annika Svedberg, die bei Hjärtat für die Entwicklung der pharmazeutischen Dienstleistungen zuständig ist. Der Nutzer wird in eine Naturlandschaft an einem Lagerfeuer versetzt. Im Himmel sind Polarlichter zu sehen. Das Ganze wird begleitet von meditativer Musik und einer beruhigenden Stimme, die verschiedene Entspannungstechniken anbietet.

„Happy Place“ entstand als Zusammenarbeit von Hjärtat und dem Startup Mimerse. Die App wurde nach Angaben der Apothekenkette als Ergänzung zur medizinischen Schmerzlinderung entwickelt. Ziel sei es, Erkenntnisse aus Psychotherapie und Meditation zu nutzen, um Schmerzen zu reduzieren. Das könnte vermeidbaren Konsum von Schmerzmitteln verringern helfen, so das Unternehmen.

Das soll funktionieren, weil die Aufmerksamkeit der Benutzer mithilfe von Audio, Video und interaktiven Elementen in einer virtuellen Landschaft von den Schmerzen abgelenkt wird. Zwar könne die Wirkung von Person zu Person variieren. Die positiven Effekte – vor allem in Kombination mit pharmakologischer Schmerztherapie – seien in mehreren Forschungsprojekten nachgewiesen worden.

So setzt man im Brandwundenzentrum in Groningen auf ein Projekt mit VR-Brillen. Auch hier sollen sie dabei helfen, vom Schmerz abzulenken. Denn starke Brandwunden zu behandeln ist kompliziert und dauert lang. Für Patienten ist die Behandlung vor allem sehr schmerzhaft.

Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass jeder Mensch nur eine begrenzte Aufmerksamkeitskapazität hat und nicht alles bewusst wahrnehmen kann. Indem die Aufmerksamkeit auf den Film gelenkt wird, soll weniger für den Schmerz übrig bleiben.

Vorläufige Beobachtungen deuten darauf hin, dass Patienten mithilfe der VR-Brille weniger Schmerzen empfinden. Ob die VR-Brille dazu führen kann, dass weniger Medikamente verabreicht werden müssen, wird man frühestens im Sommer wissen. Dann werden die ersten Forschungsergebnisse präsentiert.

Die Idee ist nicht neu. Schon 2006 hatte der Psychologe und Schmerzexperte Hunter Hoffman an der Universität von Washington ein VR-Spiel namens „Snow World“ entwickelt. In der virtuellen Eiswelt wirft man Pinguine, Schneemänner und Mammuts mit Schneebällen ab. Mehrere Studien zeigten, dass das Schmerzempfinden um bis zu 50 Prozent sank, wenn die Patienten während der Behandlung Snow World spielten. Damals war das dafür benötigte Equipment jedoch viel zu groß und viel zu teuer. Heute liegen die Kosten bei 800 bis 1000 Euro für eine kabellose Brille und ein Handy, über das der Film abgespielt wird.

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Mehr aus Ressort
Tausende Filialen schließen
USA: Kahlschlag bei Apothekenketten
2500 Packungen illegal nach China verkauft
Paxlovid: Apothekerin aus Innsbruck angeklagt
Weniger Einnahmen, mehr Ausgaben
Krankenkasse rechnet mit Milliardenverlusten

APOTHEKE ADHOC Debatte