Schweiz

Schwangere auf schwarzer Liste – Geburt als Notfall

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Berlin -

Eine schwangere Schweizerin stand wegen rückständiger Beiträge auf der schwarzen Liste ihres Kantons. Die Krankenkasse wollte daher die Kosten für ihre Entbindung nicht übernehmen. Zu unrecht, urteilte jetzt das Versicherungsgericht in St. Gallen.

In neun der 23 Schweizer Kantone landen Krankenversicherte auf schwarzen Listen, wenn sie mit ihren Beitragszahlungen in Rückstand sind. Die Versicherungen sind dann nur noch zur Erstattung in Notfällen verpflichtet. Die Krankenkasse Assura argumentierte, die werdende Mutter habe vor ihrer Entbindung vier Monate Zeit gehabt, um ihre Beiträge zu bezahlen. Den Termin abzuwarten und dann einen Notfall geltend zu machen, sei nicht zulässig. Das St. Galler Kantonsspital klagte gegen den Bescheid und bekam in erster Instanz recht.

Der medizinische Notfallbegriff der Versicherungen sei „zu eng gefasst“, urteilte das St. Galler Versicherungsgericht. Vielmehr erscheine es sachgerecht, in Fällen, in denen Medizinalpersonen eine Beistandspflicht zukomme, von einer Notfallbehandlung im Sinne des Gesetzes zu sprechen. „Der stationäre Aufenthalt zur Entbindung ist im Zeitpunkt des Spitaleintritts notwendig und unaufschiebbar gewesen.“ Dringend sei ein Fall auch dann, „wenn zwar keine Lebensgefahr besteht, die betroffene Person aber umgehend Hilfe braucht, weil ihre Gesundheit ansonsten ernsthaft beeinträchtigt werden könnte“.

Das Urteil werde sich auf alle übrigen Kantone auswirken, die eine schwarze Liste führen, meint Susanne Hochuli, Präsidentin der schweizerischen Stiftung Patientenschutz (SPO), gegenüber der Sonntagszeitung. Die Gesetzgeber würden „künftig den Notfallbegriff in den gesetzlichen Bestimmungen umfassender definieren und die Beistandspflicht der Medizinalpersonen aufnehmen“. Noch ist der Richterspruch nicht rechtskräftig. Assura lässt offen, ob Berufung beim Bundesgericht eingereicht wird.

Erst vor Kurzem hatte der Fall eines 50-Jährigen im Kanton Graubünden für Schlagzeilen gesorgt. Wegen rückständiger Beiträge hatte die Krankenversicherung ÖKK die Erstattung seiner HIV-Therapie verweigert. Beide Anträge des Patienten auf Kostenübernahme Erstattung seiner Medikamente wurden abgelehnt, beim zweiten Mal war er als Folge seiner nicht mehr eingedämmten HIV-Infektion bereits an Aids erkrankt. Der Patient starb Ende letzten Jahres in einem Krankenhaus in Chur.

Ein Sprecher der ÖKK wollte sich zum konkreten Fall unter Berufung auf den Datenschutz nicht äußern. Er bestätigte aber gegenüber der Sonntagszeitung, dass HIV-Patienten bei ausstehenden Prämienzahlungen keine Erstattung erhalten. Dies sei aber „kein reiner Entscheid“ der ÖKK: „Wir dürfen vom Gesetz her nicht vergüten, wenn jemand auf der schwarzen Liste eines Kantons steht.“

Es sei eine „absolut zynische Ausrede“, dass es sich bei einer tödlich verlaufenden Krankheit wie Aids nicht um einen Notfall handeln soll, sagt dagegen Angelo Barille, Arzt und sozialdemokratischer Abgeordneter im Nationalrat. Barrile fordert deshalb die Abschaffung aller schwarzen Listen. „Sie bringen Menschen, die auch unverschuldet ihre Prämien nicht mehr bezahlen können, in Lebensgefahr.“ Parlamentskollegin Verena Herzog von der rechtspopulistischen SVP spricht sich dagegen für die Beibehaltung der schwarzen Liste aus. Der Bündner Fall sei zweifellos ein „tragisches Schicksal“. Doch die Kantone müssten 85 Prozent der Verluste übernehmen, die durch säumige Beitragszahler entstünden. „Wer zahlt, muss auch die Möglichkeit haben, Druck aufzusetzen.“

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