Großbritannien

Schutzzäune für Pharmagroßhändler

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In Großbritannien könnten so genannte Teilsortimenter in Zukunft deutliche Schwierigkeiten bekommen, auf der Großhandelsstufe Arzneimittel zu vertreiben. Die Arzneimittelaufsicht will die Auflagen für die Vergabe von Großhandelslizenzen sowie für den Geschäftsbetrieb deutlich verschärfen. Zur Zeit können die Verbände im Gesundheitswesen im Rahmen einer Anhörung Stellungnahmen zum Thema abgeben.

Ziel der Behörde ist es, die Zahl der Lizenzen - mit derzeit 1800 über EU-Durchschnitt - zu reduzieren. Dadurch soll das wachsende Risiko für Fälschungen innerhalb der regulären Lieferkette minimiert werden. Seit 2004 habe es neun Zwischenfälle gegeben, in denen gefälschte Arzneimittel Apotheken und Patienten erreichten. In weiteren fünf Fällen seien die Fälschungen bis zur Großhandelsstufe gelangt.

Künftig sollen Herstellung, Besitz und Vetrieb von gefälschten Arzneimitteln härter bestraft werden. Andere geplante Maßnahmen sind Eignungsprüfungen, Anmeldegebühren, Lager- und Transportvorschriften sowie die Ernennung einer verantwortlichen Person und regelmäßige Betriebsinspektionen.

Diese Auflagen richten sich auch gegen den Parallelhandel mit Arzneimitteln. Dieser hatte zuletzt eine Reihe internationaler Pharmakonzerne zur Einführung von Exklusivvertriebsmodellen veranlasst, bei denen ausschließlich Vertragsgroßhändler die Ware eines Herstellers in die Apotheken liefern (Direct to pharmacy, DTP).

Was auf den ersten Blick geeignet erscheint, den Anreiz für DTP und damit auch den immensen logistischen und finanziellen Aufwand für die Apotheken zu senken, könnte schnell zum Bumerang werden: Denn Kritikern zufolge werden die strengeren Auflagen, zusammen mit den geplanten Maßnahmen der EU-Kommission, kleinere Anbieter (Short-Liner) komplett aus dem Markt kegeln.

Schon heute dominieren, nicht zuletzt dank DTP, Alliance Boots, Celesio und Phoenix mit ihren Landesgesellschaften den britischen Großhandelsmarkt. Kein anderer Großhändler hat bislang einen DTP-Zuschlag erhalten; ein privater Anbieter warf angesichts wegbrechender Umsätze vor einem Jahr sogar komplett das Handtuch. Die drei Konzerne, die auch die größten Apothekenketten des Landes betreiben, sitzen dagegen relativ fest im Sattel.

Der britische Liberalismus könnte in ein Oligopol nach norwegischem Vorbild umschlagen. Schützenhilfe erhalten die Konzerne dabei nun ausgerechnet von den britischen Behörden. Auch Apotheken sollen laut Vorschlag nur noch in Notfällen Arzneimittel ohne Großhandelserlaubnis untereinander vertreiben dürfen.

Dies könnte dramatische Konsequenzen für Einkaufsmodelle wie beispielsweise das Apothekenportal Rxchange haben: Hier können Apotheken ihren Kollegen gegen Gebühr Ladenhüter zum Verkauf anbieten. 500 Apotheken nutzten laut Unternehmen seit dem Launch im Juli 2007 die Plattform, deren Betreiber sich als Dienstleister für unabhängige Apotheken verstehen.

Bei Rxchange will man sich die Vorschläge zunächst im Detail ansehen. Auch der Apothekerverband muss seine Antwort noch erarbeiten. Kritiker fürchten aber schon jetzt, dass die neuen Regelungen die unabhängigen Apotheken weiter in die Enge treiben könnten.

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