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Sanofi: Rassismus ist keine Nebenwirkung Tobias Lau, 01.06.2018 07:54 Uhr

Berlin - 

Der französische Pharmakonzern Sanofi hat sich in die Debatte um US-Serienstar Roseanne Barr eingeschaltet – und sich indirekt über sie lustig gemacht. Denn die Schauspielerin hatte einen rassistischen Ausfall unter anderem mit der Einnahme des Schlafmittels Ambien erklärt. Sanofi reagierte mit Witz.

Die USA müssen derzeit mal wieder über Rassismus diskutieren. Im März feierte die Kultserie Roseanne ein fulminantes Comeback: Die Sitcom, die in den 90er Jahren als erste die bis dato heile Mittelstandswelt der amerikanischen Vorabendserien aufbrach und das beschwerliche Leben einer Abeiterfamilie porträtierte, wurde neu aufgelegt und reüssierte mit hervorragenden Einschaltquoten.

Doch der Erfolg währte nur kurz. Nachdem Hauptdarstellerin Roseanne Barr vergangene Woche eine Beraterin des ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama rassistisch beleidigte, setzte der US-Sender ABC Roseanne kurzerhand ab.

Die 65-Jährige, die schon des Öfteren mit einem Hang zu Verschwörungstheorien und extremen Äußerungen jeglicher Couleur von sich reden machte, hatte sich mit der afroamerikanischen Beraterin Valerie Jarett angelegt und schoss daraufhin in die Welt, „wenn die Muslimbruderschaft und Planet der Affen ein Kind hätten“, wäre das Jarett. Darauf folgte eine Debatte über Rassismus und Meinungsfreiheit, in die sich selbst Präsident Donald Trump einschaltete – freilich nur, um darauf verweisen, dass auch er auf ABC beleidigt worden sei, sich bei ihm aber anders als bei der ehemaligen Obama-Beraterin niemand entschuldigt habe.

Barr wiederum entschuldigte sich, versuchte aber auch, den Vorfall zu relativieren. Unter anderem berief sie sich darauf, nicht ganz bei Sinnen gewesen zu sein, als sie den Tweet abgesetzt hat: Es sei zwei Uhr nachts gewesen und sie habe bereits eine Ambien genommen gehabt, ein in Deutschland unter dem Namen Bikalm vertriebenes Schlafmittel von Sanofi.

Das Argument wurde direkt aufgegriffen. Die Reaktionen von Journalisten und Nutzern in sozialen Medien reichten von Häme über Kritik bis zu Unterstützung. Der französische Konzern musste sich also zu dem Fall verhalten – zwischen PR-Fiasko und Imagegewinn war alles drin. Während andere Unternehmen oft versuchen, solche Debatten auszusitzen und sich möglichst neutral zu zeigen, entschied sich die Öffentlichkeitsabteilung von Sanofi für die Offensive und bezog klar Stellung.

„Bei Sanofi arbeiten Menschen jeder Hautfarbe, Religion und Nationalität jeden Tag daran, die Leben von Menschen rund um die Welt zu verbessern“, rückt sich das Unternehmen zu Beginn ins gute Licht, um dann klarzustellen: „Zwar hat jedes Medikament Nebenwirkungen, Rassismus ist allerdings keine bekannte Nebenwirkung von Sanofi-Arzneimitteln.“ Die Sympathien hatte Sanofi damit auf seiner Seite. Neben 64.000 Retweets und rund 170.000 Likes wurde der Post 5600 mal kommentiert.

Amerikanische und internationale Medien griffen den Tweet gleichermaßen auf und machten damit zusätzlich PR für den Konzern. Auch in Deutschland fand das Statement Widerhall. So wies Apotheker Christian Redmann, der momentan mit seiner Petition für die Durchsetzung des Rx-Versandverbots in der Öffentlichkeit steht, bei Facebook auf die schiefen Erwartungshaltungen im öffentlichen Diskurs hin, die der Fall deutlich mache.

„Du weißt, dass bald was passieren wird, wenn der amerikanische Präsident angesichts der Absetzung einer nach 20 Jahren wieder aufgelegten Serie vom absetzenden Sender eine Entschuldigung an sich erwartet, während die Hauptdarstellerin ihre rassistischen Äußerungen auf die Einnahme eines Schlafmittels schiebt und sich die Pharmafirma genötigt sieht, Rassismus als Nebenwirkung zu verneinen“, orakelte er.

Doch es gab auch für Sanofi Gegenwind. Im Wesentlichen werfen die meisten Kommentatoren dem Konzern Heuchelei vor. Einerseits wird dabei auf die grassierende Opioid-Epidemie in den USA abgehoben, für die Sanofi als Pharmakonzern eine Mitschuld attestiert wird. Ambien zählt zu den 20 am meisten missbrauchten Arzneimitteln in den USA. Zwar ist der Wirkstoff Zolpidem strukturell betrachtet kein Opioid und auch kein Benzodiazepin, sondern wird der Gruppe der Benzodiazepin-Analoga zugerechnet, da er vergleichbare Wirkungen erzielt. Es ist aber bekannt, dass das Abhängigkeitspotential genauso hoch ist wie das von Benzodiazepinen.

Andererseits wird auf die tatsächlichen Nebenwirkungen von Ambien verwiesen, beispielsweise von Matt Drudge, dem Betreiber der einflussreichen konservativen Nachrichtenseite Drudge Report. Der Tenor: So abwegig sei es gar nicht, die Wirkung von Ambien für ein unglückliches Statement verantwortlich zu machen. Tatsächlich führt der Beipackzettel unter anderem Verwirrtheit und „sonderbare (paradoxe) Reaktionen, vor allem bei älteren Patienten“ wie Halluzinationen, aggressives Verhalten, Psychosen und Reizbarkeit an.

Die Zeitung Huffington Post geht gar so weit, Kriminal- und Unfälle aufzuzählen, in denen die Einnahme von Ambien zu geistiger Unzurechnungsfähigkeit geführt haben soll. Der dramatischste ist der eines Amoklaufs in North Carolina 2009, bei dem ein 45-Jähriger, der seine Ehefrau töten wollte, acht Menschen erschoss.

Da er vor der tat Ambien genommen hatte, wurde ihm eingeschränkte Zurechnungsrechnungsfähigkeit attestiert. Statt für achtfachen Mord – wie von der Staatsanwaltschaft verlangt – wurde er für achtfachen Totschlag verurteilt. Er entging damit der Todesstrafe. Sanofi hat sich bisher nicht zu diesen Punkten eingelassen. Voraussichtlich wird der Konzern sich hüten, die Debatte zu sehr auf sich zu lenken.