Rx für Apotheken, OTC für Drogerien Benjamin Rohrer, 08.11.2012 14:56 Uhr
Apotheker in der Schweiz sollen in Zukunft bestimmte Arzneimittel ohne Rezept abgeben dürfen. Dies sieht ein von der Regierung vorgelegter Entwurf zur Novellierung des Heilmittelgesetzes vor. Welche Medikamente vom Apotheker abgegeben werden dürfen, soll die Arzneimittelbehörde Swissmedic festlegen. Als einzige Bedingung legte der Bundesrat eine verpflichtende Beratung vor der Abgabe fest. Mit der Novellierung werden allerdings auch die Kompetenzen der Drogerien erweitert. Zudem sollen Werbegeschenke und Naturalrabatte der Pharmaindustrie an Ärzte oder Apotheker verboten werden.
In der Schweiz sind Arzneimittel nach verschiedenen Kategorien klassifiziert: Medikamente der Klasse A dürfen nur auf Rezept abgegeben werden, Medikamente der Gruppe B können Bestandteil von Wiederholungsverordnungen sein. Bei Produkten der Liste C darf die Abgabe nur nach Fachberatung durch medizinisch geschultes Personal erfolgen, bei Produkten der Gruppe D genügt die Beratung durch Fachpersonal in Apotheken oder Drogerien. Arzneimittel der Gruppe E sind komplett frei verkäuflich.
Die Regierung hat Swissmedic nun beauftragt, die Einteilung der Medikamente in diese Kategorien zu überprüfen. Vorstellbar ist beispielsweise, dass Apotheker Teile der Liste B ohne Rezept abgeben dürfen. Drogerien sollen der Regierung zufolge in Zukunft alle nicht verschreibungspflichtigen Präparate selbstständig abgeben dürfen. Viele OTC-Präparate der Liste C durften die Drogerien bislang nicht abgeben. Die großen Drogerieketten Coop und Migros versuchen seit Jahren, den OTC-Markt zu liberalisieren.
Mit der Novellierung des Heilmittelgesetzes will die Regierung zudem die Einflussnahme der Pharmaindustrie auf Heilberufler einschränken: So sollen geldwerte Vorteile wie Warenboni oder Gratismuster, mit denen Hersteller ihre Produkte bei Apothekern oder Ärzten bewerben, nur noch begrenzt erlaubt sein. Naturalrabatte sollen komplett verboten werden. Apotheker und Ärzte müssen künftig belegen können, ob und welche Rabatte sie erhalten haben. Zudem sollen alle Geschäftsbeziehungen zu Herstellern offengelegt werden müssen. Bei Zuwiderhandlung gegen die neuen Regeln drohen den Heilberuflern Freiheits- und Geldstrafen.
Der Schweizer Apothekerverband Pharmasuisse begrüßt die Neuregelungen. Mit den Erleichterungen für Apotheker und Drogerien entspreche der Bundesrat „gesellschaftlichen Bedürfnissen“. Auch die Strafen und Verbote im Bereich der Pharma-Rabatte stoßen bei den Apothekern auf Zustimmung: „Pekuniäre Einflüsse auf Ärzte und Apotheker können problematisch sein, denn die Interessen der Patienten müssen im Vordergrund stehen.“
Einen der wichtigsten Punkte für die Apotheker will die Schweizer Regierung mit dem Gesetzentwurf jedoch nicht anpacken: Die ärztliche Selbstdispensation. Seit Jahren streiten sich Apotheker und Ärzte darüber, ob Ärzte Medikamente direkt an ihre Patienten verkaufen dürfen.
In 17 Kantonen ist die Abgabe durch Ärzte ganz oder teilweise erlaubt. Von der Novellierung es Heilmittelgesetzes hatten sich die Apotheker Regelung für die Gesamtschweiz erhofft.