Rockstar-Witwe: Beruhigungsmittel schuld an Suizid APOTHEKE ADHOC, 23.02.2018 13:39 Uhr
Der US-Rockmusiker Chris Cornell wurde im Mai 2017 erhängt in einem Hotelzimmer aufgefunden. Im ersten Interview nach seinem Tod machte seine Witwe jetzt die Nebenwirkungen eines starken Beruhigungsmittels für seinen Tod verantwortlich.
Cornell gründete die Grunge-Band Soundgarden („Black Hole Sun“) mit, die weltweit über 22,5 Millionen Alben verkaufte. Danach wurde er Frontmann der Rockgruppe Audioslave. Sein größter Solo-Hit war „You Know My Name“, der Titelsong des James-Bond-Films „Casino Royale“. Viele Jahre kämpfte der Musiker mit einer Alkohol- und Tablettenabhängigkeit. Er begab sich in eine Entzugsklinik, seit 2003 war er clean, sagte Cornell selbst. Ein Jahr vor seinem Tod habe er sich an der Schulter verletzt, die Schmerzen hätten ihn wach gehalten, berichtete seine Frau Vicky Karayannis jetzt in einem Interview mit dem US-Frühstücksmagazin „Good Morning America“. Ihm sei daraufhin ein Benzodiazepin verschrieben worden, das ihm helfen sollte, wieder durchzuschlafen.
„Hinterher habe ich erfahren, dass dieses Mittel nicht an jemanden verabreicht werden sollte, der mal abhängig war.“ Andernfalls müsse die Einnahme streng überwacht werden und dürfe nicht länger als zwei bis drei Wochen erfolgen. „Chris wurde rückfällig und nahm über einen Zeitraum von neun Tagen 33 Tabletten.“ Im März 2017 habe Cornell einen engen Musikerkollegen um Hilfe gebeten, der Sender ABC zitierte aus einer Mail: „Ich würde gerne mit dir reden wollen, hatte einen Rückfall.“ Sein Verhalten habe sich verändert, berichtet die Witwe: „Er sprach verlangsamt, wurde vergesslich. Es gab Momente, in denen ich ihn für verwirrt hielt.“
Am 17. Mai 2017 gab er ein Konzert in Detroit. „Er traf nicht alle Töne, vergaß Teile seines Textes und ging einfach so von der Bühne“, hat die Witwe erfahren. „Ein Chris Cornell tat so etwas normalerweise nicht.“ Stunden später sei er tot von einem Bodyguard aufgefunden worden, er hatte sich erhängt. Bei der Autopsie wurden Spuren von sieben Substanzen gefunden, darunter das Benzodiazepin Lorazepam, das Barbiturat Butalbital, der Opioid-Antagonist Naloxon, dazu Koffein, das Phenylethylamin-Alkaloid Pseudoephedrin und sein Metabolit Norpseudoephedrin.
Schon kurz nach Bekanntwerden der Ergebnisse hatte die Familie vor allem die Nebenwirkungen des Beruhigungsmittels Ativan (Lorazepam) für die Selbsttötung verantwortlich gemacht. „Chris hat mich in dieser Nacht angerufen, er sagte, er hätte vielleicht eine oder zwei Tabletten mehr genommen als sonst. Ich glaube nicht, dass er irgendwelche bewussten Entscheidungen treffen konnte, so beeinträchtigt, wie er in seinem Denken war“, sagte Karayannis im Interview mit dem Sender. „Chris war kein Rockstar-Junkie, er wollte für seine Familie, seine Kinder da sein. Er liebte sein Leben. Er wollte diese Welt nie verlassen.“
Bevor Ärzte ihren Patienten etwas verschreiben, sollten sie überprüfen, ob es eine Suchtvergangenheit vorliege, beim Patienten selbst oder in seiner Familie, schrieb Dr. Nora Volkow, Direktorin des National Institute on Drug Abuse, ihren Kollegen im Gespräch mit dem Frühstücksmagazin ins Stammbuch. In den USA tauche eine Sucht im Gegensatz zu anderen Krankheiten wie Krebs nicht in den Patientenunterlagen auf. „Wer als Arzt nicht gezielt danach fragt, wird nichts davon erfahren und womöglich ein Medikament verschreiben, das zum Rückfall führt.“ Gerade Benzodiazepin und Barbiturate könnten das Verhalten und das Denkvermögen stark verändern. „Sie beeinträchtigen das Gehirn und machen es vielfach unmöglich, die Bedürfnisse und Gefühle unter Kontrolle zu halten.“
An einer unbeabsichtigten Tablettendosis starb 2015 Matt Roberts, Gitarrist der US-Rockband „3 Doors Down“. Seine Angehörigen haben vor Kurzem Klage gegen den behandelnden Arzt und die Apothekenkette Rite Aid wegen fahrlässiger Tötung eingereicht. Dr. Richard Snellgrove habe Roberts von 2006 an kontinuierlich bis Tage vor seinem Tod hohe Dosen der Opioide verschrieben, obwohl sein Patient bereits eine Drogenentziehungskur hinter sich hatte. Die Apothekenfiliale in Roberts‘ Wohnort Spanish Fort im Bundesstaat Alabama habe entgegen des geltenden Gesetzes die Arzneimittel ausgegeben, obwohl es Anzeichen einer möglichen Sucht gegeben habe.