Österreich

Revolte gegen Verbandspräsident Rehak

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Berlin -

In Österreich droht innerhalb des Apothekenlagers eine offene Revolte. Hintergrund ist die vom Verband angestoßene Novellierung des Apothekengesetzes. Kritiker werfen dem Präsidium um Jürgen Rehak „politische Naivität“ vor, die unwägbare Folgen haben könnte. Es geht um das Modell der Bedarfsplanung. Jetzt wollen sich die Standesvertreter der Basis stellen und erklären, warum das neue Modell besser ist.

In Österreich darf eine neue Apotheke nur eröffnet werden, wenn die nächste Apotheke mindestens 500 Meter entfernt ist und es im Ort keine ärztliche Hausapotheke gibt. Außerdem müssen allen bestehenden Apotheken im Umkreis von vier Kilometern mindestens 5500 potentielle Kunden bleiben; Pendler sind dabei zu berücksichtigen. Über die Frage des Bedarfs entscheidet die Apothekerkammer auf der Grundlage eines Gutachtens. In ländlichen und abgelegenen Regionen sind seit 2016 Ausnahmen möglich, wenn dies im Interesse einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung dringend erforderlich ist. Hintergrund war ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH).

Der Apothekerverband schlägt eine Neuregelung vor, nach der die Zahl der Hauptwohnsitze pro bestehender Apotheke auf 4200 abgesenkt werden soll. Pendler sollen nicht mehr berücksichtigt werden, weil dies laut Rehak das Verfahren aufwendig, langwierig und intransparent gemacht hat. Zwar lägen dem bisherigen Modell mathematisch-statistische Operationen zugrunde, die die TU Wien eigens entwickelt hatte. „Doch wir sehen häufig Ergebnisse, die mit Sachverstand und Ortskenntnis nicht nachzuvollziehen sind.“

Sowohl für Antragsteller als auch die bestehenden Apotheken und die Behörden führe das Modell oft zu „richtig großen Problemen“. Politik und Bevölkerung seien die Ergebnisse oft nicht zu vermitteln; unter dem Eindruck der Intransparenz werde das Verfahren immer wieder grundsätzlich infrage gestellt. Auch die Funktionäre bei der Kammer, die sich regelmäßig mit entsprechenden Anträgen beschäftigen müssten, seien überzeugt, dass das Modell an seine Grenzen stoße. Immerhin zögen sich entsprechende Verfahren einschließlich gerichtlicher Prüfung mitunter über Jahre hin.

Über Monate hinweg habe man sich im Verbandsvorstand intensiv mit dem Thema beschäftigt, sagt Rehak. Ziel sei es gewesen, ein Modell zu entwickeln, dass transparent und nachvollziehbar sei und Unwägbarkeiten damit weitgehend ausschließe. Am Ende sei die beste Lösung gewesen, nur noch Menschen zu berücksichtigen, die tatsächlich vor Ort wohnen. „Apotheken sind für die Versorgungssicherheit der Einwohner zuständig“, sagt Rehak. Personen, die vor Ort arbeiteten, einkauften oder den Arzt besuchten sowie Touristen sind demnach nur eine zusätzliche Klientel.

Nach seinen Worten ändert sich durch die Umstellung faktisch nichts. „Wir haben nach bestem Wissen und Gewissen gerechnet. Sie können sich sicher sein, dass hier Apotheke ein Nachteil entstehen soll.“

Doch es rührt sich massiver Protest an der Basis: Am Dienstag schrieb der Apotheker-Club Tirol alle Kollegen im ganzen Land an und beschwerte sich über das Vorgehen der Standesvertreter. Eine derartig weit reichende Änderung mit all ihren unwägbaren politischen Folgen bedürfe einer breiten Diskussion im Kollegenkreis, hieß es in dem Schreiben des Zusammenschlusses, der zwar nur rund 20 Mitglieder hat, aber seit Jahrzehnten ein Gewicht in der Standespolitik hat.

Dass die Umstellung keine Auswirkungen hat, wollen die Apotheker nicht glauben. Sie verweisen auf Deutschland, wo rechnerisch 4260 Einwohner auf eine Apotheke kommen – also trotz Niederlassungsfreiheit mehr als im Vorschlag des Verbands vorgesehen.

Auch der Mindestabstand von 500 Metern genügt Hans Jakesz (Adler-Apotheke, Wien), Sandra Kramer (Zentral-Apotheke, Innsbruck), Ursula Pollack (Paracelsus-Apotheke, Mils) und Dieter Glötzer (Karwendel-Apotheke, Jenbach) nicht. Dadurch würden allenfalls die innerstädtischen Apotheken „geschützt“. „Apotheken in Landregionen und in Randlagen von Ballungszentren sind die eigentlichen Verlierer der 4200-Regelung“, heißt es in ihrem Schreiben. Wissentlich oder unwissentlich würden diese Apotheken „geopfert“.

Außerdem könne diese Regelung jederzeit politisch zur Diskussion gestellt werden, geben die Apotheker zu bedenken – „spätestens dann, wenn die Liberalisierungsbefürworter erkennen, dass nicht die 4200-Grenze, sondern die 500m-Grenze die eigentliche Marktzutrittsbarriere darstellt“. Sie werden der Führung „politische Naivität“ vor: „Ist einmal der Vorschlag zur Senkung der Einwohnerzahlgrenze in den politischen Prozess eingebracht, verlaufe die Gesetzwerdung für unseren Stand unkontrollierbar.“ Damit bestehe ein hohes Risiko für ungewollte Abänderungen.

Aus Sicht der Kritiker wäre allenfalls politischer Druck ein echtes Argument, das eine Abänderung des derzeitigen Systems rechtfertigen würde. Bislang sei allerdings kein namhafter Spitzenpolitiker bekannt, der den Apothekern ein solches Ultimatum gestellt habe.

Kritisch sehen die Apotheker die Kommunikationspolitik des Verbands: Im Vorstand sei der Vorschlag Ende Januar mit denkbar knapper Mehrheit angenommen worden: 27 Mitglieder hätten dafür gestimmt, 26 dagegen. Da habe Rehak noch im Herbst bei einer Vorstandssitzung erklärt, dass er bei sich abzeichnender Uneinigkeit das Thema nicht weiterverfolgen werde. Stattdessen habe er noch am selben Tag seinen stellvertretenden Verbandsdirektor ins Ministerium geschickt, ohne den Beschluss der Kammer abzuwarten.

„Wir müssen ernsthaft bezweifeln, ob einige Spitzenfunktionäre des Österreichischen Apothekerverbandes sich dessen bewusst sind, dass sie unsere Interessenvertreter sind“, heißt es in dem Schreiben des Apotheker-Clubs. Die Kritiker forderten die Kollegen auf, sich per Mail an den Verband zu wenden und damit „jene Vorstandsmitglieder zu unterstützen, die versuchen zu retten, was vielleicht noch zu retten ist“.

Dem Vorwurf, mit dem Ministerium über den noch nicht von der Kammer abgesegneten Vorschlag gesprochen zu haben, widerspricht Rehak: Der Termin sei ohnehin anberaumt gewesen, man habe lediglich über den Diskussionsstand informiert. Außerdem seien die Juristen der Kammer dabei gewesen.

Den Kritikern wirft er vor, gezielt Unruhe zu stiften. Die Information sei „verkürzt, unvollständig und die Angstmache vollkommen ungerechtfertigt“, heißt es in einem Rundschreiben, das der Apothekerverband am Mittwoch verschickte. Seit Monaten werde intensiv diskutiert; angesichts verschiedenster möglicher Szenarien sei die Meinungsbildung und Entscheidungsfindung herausfordernd. „Die Diskussion findet aber genau dort statt, wo sie hingehört – in den Kreis aller von uns gewählten Interessenvertreter. Das Ziel bleibt dabei immer die Sicherung der Zukunft unseres Standes – und zwar OHNE Rücksicht auf Partikularinteressen.“

Nichts sei den Interessenvertretern fremder, als das Verteilungssystem mit seiner Existenzsicherungsfunktion in Frage zu stellen. „Wir arbeiten mit großem Engagement daran, Sie in dieser zentralen Aufgabe der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung zu unterstützen und Ihnen auch entsprechende Sicherheit zu geben. Präsidium und Vorstand des Österreichischen Apothekerverbandes sind sich hier einer großen Verantwortung bewusst. Mit verkürzten, unvollständigen und damit Angst machenden Halbwahrheiten zu agieren ist hingegen unverantwortlich.“

Am 27. Februar trifft sich der Vorstand der Kammer, um über den Vorschlag des Verbands zu beraten. Parallel sollen nach dem öffentlichen Schlagabtausch landesweit Informationsabende organisiert werden, bei denen die Basis ihre Fragen zu den Plänen stellen kann.

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