Ungarn

Regierung will Apothekenketten verbieten Benjamin Rohrer, 01.11.2010 12:56 Uhr

Berlin - 

In Ungarn sollen Apothekenketten ab kommendem Jahr wieder verboten werden. Die seit April amtierende rechtskonservative Regierung will nicht nur die Liberalisierung aus dem Jahr 2007 weitgehend rückgängig machen, sondern auch eine Reihe neuer Regelungen für Apotheken einführen. Ein entsprechender Gesetzesentwurf soll in Kürze ins Parlament eingebracht werden.

Den aktuellen Plänen zufolge sollen die derzeit rund 2400 ungarischen Apotheken künftig wieder zu mehr als 50 Prozent approbierten Apothekern gehören. Jeder Pharmazeut darf maximal vier Filialen betreiben; Großhändler, Pharmahersteller, Finanzinvestoren mit Sitz in Offshore-Finanzplätzen sowie Ärzte dürfen keine Besitzanteile mehr an Apotheken haben. Bis 2014 sollen die heutigen Kettenbetreiber Zeit bekommen, ihre Besitzverhältnisse neu zu ordnen.

Auch die Bedarfsplanung soll wieder eingeführt werden. In Orten mit mehr als 50.000 Einwohnern müssen auf eine Apotheke mindestens 4000 Einwohner kommen, die Entfernung zum nächsten Wettbewerber muss mindestens 250 Meter betragen. Bei kleineren Orten sind 4500 Einwohner pro Apotheke und ein Mindestabstand von 300 Metern vorgesehen.

Die Konzession ist personengebunden und berechtigt zur Leitung einer bestimmten Apotheke, in der der Apotheker persönlich arbeiten muss. Alle Verträge müssen vom Inhaber selbst unterschrieben werden; auch die Übertragung der Minderheitsanteile bedarf der Genehmigung durch den Apotheker. Die Konzession kann vererbt werden, sofern der Erbe ebenfalls ein Pharmaziestudium abgeschlossen hat. Schließlich sollen jegliche Rabattsysteme wie zum Beispiel Rx-Boni oder Werbegeschenke verboten werden.

Die Regierung will mit der geplanten Reform das Prinzip der persönlichen Verantwortung im Gesundheitswesen stärken. Außerdem sollen die Behörden wieder mehr Eingriffsmöglichkeiten erhalten. Die Liberalisierung habe zu einer Marktkonzentration geführt, argumentiert die Regierung. Der Erhalt der unabhängigen Apotheken sei aber nicht nur ein gesundheitspolitisches Ziel, sondern ein nationalpolitisches. Dass die Interessen einiger Marktteilnehmer verletzt würden, sei durch die qualitative Verbesserung der Arzneimittelversorgung zu rechtfertigen.

Die sozialliberale Vorgängerregierung hatte vor drei Jahren die seit 1994 geltenden Besitz- und Niederlassungsbeschränkungen für Apotheken aufgehoben. Vor allem in den großen Städten hatten daraufhin Großhändler und Kettenbetreiber eigene Filialen eröffnet. Die Hälfte der rund 600 Kettenapotheken wird heute von den Pharmagroßhändlern Phoenix, Hungaropharma und Humantrade (Teva) kontrolliert.