Einem von elf Patienten in Großbritannien wurden im Laufe des letzten Jahres potenziell süchtig machende Arzneimittel verschrieben. Die Regierung hat jetzt eine nach eigenen Worten „wegweisende“ Studie zu Medikamentenabhängigkeit in Auftrag gegeben.
Die Verschreibung von Arzneimitteln mit Suchtpotenzial hat nach aktuellen Zahlen in den letzten drei Jahren um 3 Prozent zugenommen, die Zahl der Verordnungen von Antidepressiva hat sich im Laufe eines Jahrzehnts verdoppelt. Die dem Gesundheitsministerium unterstellte Agentur Public Health England (PHE) soll das gesamte Ausmaß des Problems und des durch Abhängigkeit und Entzugserscheinungen entstehenden Schadens untersuchen. Ebenso sollen Wege aufgezeigt werden, wie einer Sucht vorgebeugt werden kann. Die Studie soll Benzodiazepine, Nicht-Benzodiazepin-Agonisten, Pregabalin und Gabapentin, opioide Schmerzmittel und Antidepressiva einschließen.
„Wir wissen, dass Medikamentenabhängigkeit ein gewaltiges Problem in anderen Staaten wie zum Beispiel den USA ist“, sagte dazu Steve Brine, parlamentarischer Staatssekretär im Gesundheitsministerium. „Wir müssen alles dafür tun, um sicherzustellen, dass es dazu hier nicht auch noch kommt. Großbritannien ist weltweit führend in der kostenlosen Behandlung von Suchterkrankungen, aber darauf dürfen wir uns nicht ausruhen.“
Das Royal College of GPs begrüßte die Pläne. Die Interessenvertretung der britischen Allgemeinmediziner warnte aber vor dem voreiligen Schluss, dass die Verschreibung von mehr Medikamenten notwendigerweise auch schlecht sei. Die Fortschritte in der Forschung führten dazu, dass immer mehr Medikamente zur Verfügung stünden, die die Gesundheit der Patienten verbessern könnten. „Es gehört zur Natur unseres Gesundheitssystems, dass diese Medikamente für jeden zugänglich sind, der von ihnen profitieren kann“, sagte die Vorsitzende Helen Stokes-Lampard dem Branchenmagazin „Pharma Times“.
„Wenn die Behandlung ständig überwacht und in Einklang mit klinischen Richtlinien geschieht, können viele Medikamente, die abhängig machen könnten, sehr effektiv bei der Behandlung einer großen Bandbreite von gesundheitlichen Problemen sein“, so Stokes-Lampard. Aber alle Arzneimittel hätten ihre Risiken und Nebenwirkungen.
„Wir hoffen, dass die Untersuchung zu dem Schluss kommt, dass es notwendig ist, den Zugang zu alternativen Behandlungsformen zu verstärken.“ Wer abhängig von verschreibungspflichtigen Medikamenten sei, solle auf eine leicht zugängliche, vertrauliche und qualitativ hochwertige Unterstützung zurückgreifen können, so Stokes-Lampard.
„Viele Schmerzmedikamente sind mit Gesundheitsrisiken verbunden, die Suchtgefahr ist ein ernstes Problem für Millionen von Menschen, die mit starken chronischen Schmerzen leben“, meinte Dr. Benjamin Ellis, leitender klinischer Berater des Forschungs- und Selbsthilfeträgers Arthritis Research UK. „Vor allem ist es besorgniserregend, dass immer mehr Menschen verschreibungspflichtige Schmerzmittel einnehmen, ohne dass sie ihnen vom behandelnden Arzt verordnet worden sind.“ Dies verdeutliche die Notwendigkeit, das Schmerzmanagement zu verbessern. Die Ergebnisse der Regierungsstudie sollen Anfang 2019 veröffentlicht werden.
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