In diesem Jahr geht es zum Sommerurlaub mal wieder nach Italien. Gutes Essen, tolle Landschaften, historische Städte und eine wundervoll klingende Sprache. Die ich leider nicht spreche. Zumindest auf diesen Umstand weise ich im Ausland gerne entschuldigend in der Landessprache hin. Damit es vielleicht ein bisschen mehr wird, hatte ich mir ein schon etwas älteres Buch ausgeliehen, das irgendwo zwischen Sprachkurs und Reiseführer rangiert: Eine Reise nach Neapel, heißt es. Besonders reizend ist ein Tipp zu italienischen Apotheken.
Das gute Essen habe ich schon erwähnt. Mein Buch gibt hierzu wertvolle Tipps. Zwar sei fast jede Trattoria gut, aber es gebe eben immer auch versteckte kleine, in denen man ganz besonders erstklassig essen könne. Und die gilt es zu finden. „Wie bekommen wir heraus, wo wir am besten essen?“, fragt Autor Reinhard Raffalt (15. Mai 1923, † 16. Juni 1976) und liefert die Antwort sofort: „Wir gehen in eine Apotheke, in eine farmacia.“
Nein, die Grenzen apothekenüblicher Waren und Dienstleistungen sind auch in Italien nicht so weit gefasst. Es geht nur um den Ratschlag. Die Pharmazeuten seien nur eben „berühmt dafür, dass sie alle ausgezeichnet essen“. Also sollen wir zum Apotheker sagen: „Scusi, dottore, vorrei trovare una buona trattoria.“ Oder: „Scusi, dottore, dove è una trattoria veramente buona?“
Angeblich finden italienische Apotheker es vollkommen normal, mit so einer menschlich verständlichen Bitte konfrontiert zu werden. Raffalt wird es gewusst haben, er hat lange in Italien gelebt, war „Vatikankorrespondent“ der Passauer Neuen Presse und Direktor der Biblioteca Germanica in Rom.
Allerdings ist das auch schon eine Weile her und ich war nicht sicher, ob Italiens Apotheker es nicht allmählich als nervige Grille deutscher Touristen empfinden würden, ständig nach Restaurants gefragt zu werden.
Trotzdem habe ich es mehrfach ausprobiert. Die erste Beobachtung deckt sich mit einer Entwicklung in Deutschland: Der Berufsstand wird weiblicher, eine Apothekerin bedient mich. Umso besser, sind Frauen doch bekanntermaßen das kommunikativ fortschrittlichere Geschlecht. Und siehe da, keine Spur von Überraschung im freundlichen Gesicht der Apothekerin. Sie hat auch sofort einen Tipp parat, sichert sich bei zwei schnell hinzugezogenen Kolleginnen noch einmal ab. Für drei gleichzeitig sprechende Italienerinnen reicht mein Sprachverständnis zwar noch nicht, aber das Wesentliche wird übermittelt und die Geheimtipp-Trattoria gefunden.
Da man Apothekerinnen in allen Ländern der Welt vertrauen kann, wage ich mich sogar an Muscheln. Sollte es schief gehen, wüsste ich zumindest einen kurzen Weg zur Apotheke – und könnte testen, ob diese in ihrer professionseigenen Beratungsleistung sattelfester ist. Aber dazu besteht kein Bedarf, das Essen ist köstlich und gut bekömmlich. Test bestanden.
Dieses Ergebnis ließ sich in Rom reproduzieren. Aus Neugier gehe ich zur Gegenprobe über und fragte in einer Trattoria nach einer „farmacia veramente buona“. Wieder keinerlei Verwunderung, ich schätze, die Italiener sind einfach sehr hilfsbereit. Allerdings findet in diese Richtung kein Qualitätswettbewerb statt, es zählt nur Lage, Lage, Lage.
Mir wird die nächstgelegene Apotheke ans Herz gelegt. Dass es dabei nicht nach Maßstäben der Akutversorgung geht, wird klar, als der Gastwirt nach unserer nächsten Besichtigung fragt und da noch eine Apotheke in der Nähe kennt. Aber immerhin: Exzellent mitgedacht!
Falls bei Ihnen mal wieder ein Kunde mit einem absurd anmutenden Wunsch in der Offizin steht, wundern Sie sich nicht. Vielleicht kommt der Tipp aus irgendeinem Reiseführer.
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