2 junge Frauen überraschen Mathe-Welt

Pythagoras-Beweise: Schülerin studiert heute Pharmazie Laura Schulz, 28.10.2024 18:23 Uhr

Das kennen viele noch aus der Schule: a² + b² = c². Beweise der Formel gibt es viele, doch manche sind sehr knifflig. Zwei US-Teenagern ist nun etwas Besonders gelungen. Foto: Emilija - stock.adobe.com
New Orleans - 

Zwei mathe-affinen Nachwuchswissenschaftlerinnen ist gelungen, was in der Fachwelt lange Zeit als nahezu unmöglich galt: Sie haben den berühmten Satz des Pythagoras (a² + b² = c²) mit Mitteln der Trigonometrie bewiesen – und das gleich mehrfach. Ihre Ergebnisse wurden in der Zeitschrift „American Mathematical Monthly“ veröffentlicht. Die beiden Autorinnen studieren inzwischen: Calcea Johnson Umwelttechnik an der Louisiana State University, Ne'Kiya Jackson studiert Pharmazie an der Xavier University of Louisiana.

Die Krux dabei: Die Trigonometrie ist ein Teilgebiet der Geometrie, und deren grundlegende Formeln beruhen auf der Annahme, dass der Satz des Pythagoras wahr ist. Es droht also ein Zirkelschluss – eine Beweisführung, in der das zu Beweisende schon als Voraussetzung steckt.

Ohne Zirkelschluss sei professionellen Mathematikern erst zweimal ein solcher Beweis geglückt, teilte der Verlag mit. Darüber hinaus gibt es Hunderte andere Beweise des Jahrtausende alten Lehrsatzes aus anderen Disziplinen der Mathematik wie der Algebra.

Worum geht es beim Satz des Pythagoras?

Der Satz des Pythagoras ist wohl eine der wenigen Formeln, die viele Menschen noch aus dem Schulunterricht irgendwo im Hinterkopf haben. Dabei geht es um die Beziehung zwischen den Seitenlängen eines rechtwinkligen Dreiecks: Die Summe der Quadrate der am rechten Winkel anliegenden Katheten (a und b) ist gleich dem Quadrat der Hypotenuse (c), die dem 90-Grad-Winkel gegenüberliegt. Man kann also die Länge einer beliebigen Seite eines rechtwinkligen Dreiecks berechnen, wenn man die Länge der beiden anderen Seiten kennt.

„Der Satz des Pythagoras verbindet Algebra – das heißt das Rechnen mit Zahlen und Variablen – und Geometrie – das heißt das Zeichnen und Messen“, erläuterte Mario Gerwig, Autor des Buchs „Der Satz des Pythagoras in 365 Beweisen“. Eine große Sammlung des Amerikaners Elisha Scott Loomis (1852-1940) mit mehr als 370 Beweisen enthalte ausschließlich algebraische und geometrische Beweise.

Die neuen Beweise

Die Autorinnen Calcea Johnson und Ne'Kiya Jackson haben in ihrer nun veröffentlichten Arbeit fünf Möglichkeiten vorgelegt, den Satz mit Hilfe der Trigonometrie zu beweisen. Hinzu kommt eine Methode, die fünf weitere Beweise ermöglicht. Dafür haben sie – grob gesagt – aus einem rechtwinkligen Dreieck ABC verschiedene neue rechtwinklige Dreiecke mit bestimmten Winkel-Maßen gebildet.

Auf die Idee gekommen waren die beiden als Schülerinnen im Jahr 2022 bei einem Mathematik-Wettbewerb an ihrer Highschool in den USA. Eine Frage lautete dabei, einen neuen Beweis für den Satz des Pythagoras zu erstellen. „500 Dollar Preisgeld motivierten uns, uns dieser Aufgabe zu stellen“, schreiben sie. „Die Aufgabe erwies sich als viel schwieriger, als wir uns zunächst vorgestellt hatten, und wir verbrachten viele lange Nächte mit dem Versuch, einen Beweis zu erstellen, und scheiterten dabei.“

Einige Monate opferten die Teenagerinnen ihre Freizeit dem Vorhaben, arbeiteten sogar in den Ferien daran. „Es gab viele Momente, in denen wir beide das Projekt aufgeben wollten, aber wir beschlossen durchzuhalten und zu beenden, was wir begonnen hatten.“ Am Ende gab es laut dem Verlag neben Auszeichnungen sogar ein Lob von Ex-First-Lady Michelle Obama. Und nun eine wissenschaftliche Veröffentlichung mit neuen Beweisen.

Warum neue Beweise – reicht nicht einer?

Der Satz des Pythagoras übe seit vielen Jahrhunderten einen erstaunlichen Reiz auf Personen sämtlicher Kulturkreise aus, stellte Experte Gerwig fest. „Es gibt Beweise aus dem antiken Griechenland, dem alten China und aus Indien, von Künstlern und Philosophen, Mathematikprofis und -amateuren, von Euklid, da Vinci, Leibniz, Einstein und Garfield, dem 20. US-Präsidenten.“

Im Grunde reiche nur ein einziger Beweis aus, um die Richtigkeit eines Satzes ein für alle Mal darzulegen. Warum dann ein solcher Hype? „Für einen Mathematiker muss ein Beweis nicht nur richtig, sondern auch schön, das heißt elegant, knapp und möglichst genial sein. Er sollte nicht nur überzeugen, sondern bestenfalls einen anderen Blick auf den bewiesenen Sachverhalt eröffnen und damit die Vorstellung von dem, was Mathematik ist, erneuern.“

Dass der Satz des Pythagoras aus unterschiedlichen Richtungen beleuchtet wurde, sei eine Fundgrube für jeden Mathematiker, jede Mathematikerin. „Für den heutigen Mathematikunterricht bietet die Sammlung eine echte Chance, das Beweisen so zu thematisieren, dass nicht nur ein einzelnes Beweisprodukt, sondern vielmehr der Beweisprozess und damit das, was es mit dem Beweisen in der Mathematik eigentlich auf sich hat, deutlich werden kann.“

Besonderes Signal

Insofern ist aus Gerwigs Sicht nicht unbedingt zentral, dass die beiden Autorinnen neue trigonometrische Beweise gefunden haben – sondern dass überhaupt neue Beweise formuliert wurden – zumal von zwei Schülerinnen.

„Ich bin sehr stolz darauf, dass wir beide einen so positiven Einfluss ausüben können“, erklärte Co-Autorin Johnson. Die beiden Autorinnen hätten gezeigt, dass junge Frauen dazu in der Lage seien, und „und damit andere junge Frauen wissen lassen, dass sie alles tun können, was sie tun wollen“.