Premierminister springt Apothekenketten bei Benjamin Rohrer, 12.01.2011 12:39 Uhr
Entwarnung für Rumäniens Apothekenketten: Die im Entwurf für ein neues Apothekengesetz vorgesehenen Regulierungen wurden kurz vor Beschluss gekippt. Weder das geplante Fremdbesitzverbot noch die Verschärfung der Bedarfsplanung werden umgesetzt. Rumänische Apotheken dürfen damit weiterhin von Kapitalgesellschaften betrieben und überall eröffnet werden. Die Begründung der Regierung: Die Entwicklung der Ketten sei bereits zu fortgeschritten.
Noch im November hatte Rumäniens Gesundheitsminister Attila Cseke (UDMR-Demokratische Union der Ungarn in Rumänien) angekündigt, die Ausbreitung von Großkonzerne im Gesundheitswesen stoppen zu wollen. Per Notverordnung sollte bis Jahresende geregelt werden, dass Pharmazeuten mit einer Berufserfahrung von mindestens zwei Jahren die Mehrheitsbeteiligung an neuen Apotheken halten müssen.
„Der Premierminister und die anderen Regierungsmitglieder haben sich gegen den Vorschlag des Gesundheitsministers ausgesprochen“, erklärt eine Sprecherin der rumänischen Apothekerkammer. Ein derartiger Eingriff könne sich negativ auf die Versorgung auswirken, so die Argumentation: Die Ketten stellten schon einen zu bedeutenden Teil des Apothekenmarktes dar. Mehr als ein Drittel der rund 6900 rumänischen Apotheken ist in Kettenbesitz, 4700 Apotheken befinden sich in städtischen Lagen.
Auch die geplante Verschärfung der Bedarfsplanung konnte Cseke nicht durchsetzen. Das geltende Gesetz sieht eine demographisch ausgerichtete Bedarfsplanung vor: In Regionen mit hoher Bevölkerungsdichte müssen Apotheken beispielsweise 3000 Einwohner versorgen. Geplant war, diese Regelung durch eine geographische Bedarfsausrichtung zu ergänzen: Bei Neueröffnungen sollten mindestens 500 Meter zum nächsten Konkurrenzen eingehalten werden. „Das Ministerium teilte uns mit, dass man den Unternehmen nicht vorschreiben könne, an welchen Orten sie sich niederlassen“, so die Kammer-Sprecherin.
Nur zwei vom Gesundheitsminister vorgeschlagene Änderungen wurden tatsächlich verabschiedet: Bahnhöfe, Flughäfen sowie Supermärkte sind für Apothekengründungen in Zukunft tabu. An diesen Orten hatte es in den vergangenen Jahren zu viele Neueröffnungen gegeben - vielerorts bestehe eine Überversorgung, hieß es in der Begründung. Auch der Versandhandel über das Internet soll fortan gesetzlich verboten werden.
„Wir haben uns über die Ankündigungen des Gesundheitsministers sehr gefreut. Von der verabschiedeten Neuerung sind wir allerdings enttäuscht“, erklärt die Sprecherin. Zwar habe der Gesundheitsminister den Apothekern weitere Gespräche angeboten. Viel Hoffnung mache man sich allerdings nicht.
Rumänien wird derzeit von einer Minderheitsregierung regiert. Die liberal-demokratische Partei von Premier Emil Boc (PDL) koaliert mit der UDMR. Die Reform des Apothekengesetzes wurde durch eine Notverordnung geregelt - eine Mehrheit im Parlament war daher nicht nötig.