Großbritannien

Phoenix: Eine Zentralapotheke für alle Filialen

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Berlin -

Phoenix baut in Großbritannien für seine Apothekenkette Rowlands ein sogenanntes „Hub and Spoke“-System aus einer Zentralapotheke und 500 Filialen. Am Freitag feierte der Großhändler die Eröffnung der zentralen Verarbeitungsstelle in Runcorn bei Liverpool. Dort sollen künftig alle Folgeverordnungen bearbeitet werden, die Patienten in den Rowlands-Apotheken einlösen. Konkret geht es um die Verblisterung. Phoenix würde das System gern auf die Mitgliedsapotheken der Kooperation Numark ausweiten – das gibt die britische Rechtslage aber nicht her.

Die Zentralapotheke in Runcorn ist nach eigenen Angaben eine der größten automatisierten Apotheken des Vereinigten Königreichs: Roboter konfektionieren und verblistern hier schon jetzt die Arzneimittel von täglich 740 automatisch gescannten Verordnungen – aufs Jahr hochgerechnet 270.000 Rezepte. Und das System wird noch hochgefahren, bis Jahresende sollen es 16 Millionen Verordnungen sein. Patienten mit einer Folgeverordnung reichen die dann nur noch in der Rowlands-Apotheke ein und können sie am Folgetag – wenn sie früh genug kommen, noch am selben Nachmittag – wieder abholen. In Großbritannien werden neben Fertigarzneimitteln in festen Packungsgrößen häufig auch Tabletten in Teilmengen verschrieben, die dann in den Apotheken entweder von großen Rollen abgeteilt oder neu verblistert werden. Dieser Aufwand fällt für die Apotheker nun weg.

Bisher werden 160 der 500 Rowlands-Filialen von der Anlage beliefert, bis Jahresende sollen es alle in England, Wales und Schottland sein. Die Mitarbeiter müssen vor Einführung des Systems in ihrem Betrieb eine Schulung belegen, in der sie lernen die Software zur Versendung der Bestellung zu bedienen. „Das Berufsbild der Apotheker hat sich damit etwas geändert“, erklärt ein Sprecher von Phoenix UK auf Anfrage. „Viele dieser hoch qualifizierten Arbeitskräfte verbringen heute ihre Zeit damit, Arzneimittel für Patienten zu konfektionieren und zu verblistern. Diese Prozesse zu verlagern, bedeutet auch, dass die Apotheker mehr Zeit für Beratung und Dienstleistungen am Patienten haben.“

Vor allem aber will Phoenix mit dem Konzept Geld sparen. Denn das britische Gesundheitsministerium hat in seinem Apotheken-Honorarplan für die Jahre 2019 bis 2023 die Zuschläge für die Arzneimittelabgabe zusammengestrichen. Die politische Absicht dahinter: Vor-Ort-Apotheken sollen sich in Zukunft verstärkt auf Dienstleistungen konzentrieren, die Abgabe von Arzneimitteln soll mittels neuer Technologien rationalisiert und dadurch kostengünstiger werden. Die Apotheken sollen lernen, diese Technologien als Chance zu begreifen und nicht mehr als Gefahr zu sehen, so das Ministerium. Auch die Betriebszulage wird in diesem Zeitraum schrittweise abgeschafft. Insgesamt will das Ministerium bis 2023 jährlich 2,6 Milliarden Pfund (2,8 Milliarden Euro) für die Apotheken ausgeben. Zum Vergleich: In Deutschland bezahlen die Krankenkassen jährlich rund 5 Milliarden Euro für die Apothekenhonorare.

Es herrscht also Sparzwang im britischen Apothekenwesen. Und Phoenix will dem mit „Hub and Spoke“ Rechnung tragen: „Die Regierung hat den Apotheken das Geld zusammengestrichen, also müssen die Apotheker effizienter werden“, sagt der Unternehmenssprecher. „Hub and Spoke ist ein weitaus effizienterer Weg, die Lieferkette zu verwalten.“ Das sieht das Gesundheitsministerium genauso und fordert bereits 2016 die Einführung von Zentralapotheken. Gern würde Phoenix das Konzept auch auf die Mitglieder seiner Apothekenkooperation Numark ausweiten, doch bisher verbietet das das Gesetz. Demzufolge darf eine Zentralapotheke nur betreiben, wer sowohl den Hub (Deutsch: Nabe) als auch die Spokes (Deutsch: Speichen) besitzt. Wer einen Hub betreibt, darf mit diesem also keine inhabergeführten Apotheken beliefern.

Allerdings ist so ein Hub ist eine erhebliche Investition, die sich erst nach einer entsprechend hohen Zahl an Rezepten amortisiert. Für eine inhabergeführte Apotheke würde es sich nicht rentieren, dieses Geld in die Hand zu nehmen. „Deshalb würden wir das gern anbieten, können das aber nicht, weil es uns die Regierung verbietet“, so der Sprecher von Phoenix UK. „Das Gesetz wurde vor drei Jahren geschrieben – die Zeit ist aber seitdem nicht stehen geblieben.“

Gute Nachrichten für Phoenix: Die Regierung hat bereits angekündigt, das Gesetz dahingehend ändern zu wollen. Man brauche die Arbeitszeit der Apotheker in Beratung und Dienstleistung, neue Technologien wie Hubs seien bei der Rationalisierung der Arzneimittelversorgung unausweichlich, weshalb künftig auch inhabergeführte Apotheken mit Hubbetreibern zusammenarbeiten können sollen. Voraussichtlich wird es allerdings noch eine Weile dauern, bis die Gesetzesänderung Form annimmt – die britische Politik ist die nächsten Wochen und Monate auch im Gesundheitssektor voll damit beschäftigt, das Brexit-Chaos zu managen.

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