Phoenix-Tochter verweigert Auslieferung Patrick Hollstein, 04.06.2008 10:59 Uhr
In den Niederlanden sorgen die ersten Rabattverträge der Krankenkassen mit Generikaherstellern für heftige Turbulenzen. Weil im Wettbieten um die wichtigen Zuschläge zahlreiche Firmen zum 1. Juni ihre Preise radikal gesenkt haben, laufen nun die Großhändler gegen die Erosion ihrer Margen Sturm: Phoenix-Tochter Brocacef verweigert seit Montag die Auslieferung bestimmter Produkte. Vom Boykott dürfte auch Schwesterkonzern Ratiopharm betroffen sein. Auch den auf Rabatte angewiesenen Apotheken drohen Ertragseinbußen.
Bislang waren nur drei Wirkstoffe (Simvastatin, Pravastatin, Omeprazol) in den Niederlanden Gegenstand von gemeinsamen Rabattvereinbarungen der Krankenkassen. Nachdem mehrere Generikahersteller vor Gericht gezogen waren, haben die vier größten Kassen, die zusammen mehr als die Hälfte der Bevölkerung versichern, insgesamt rund 35 Wirkstoffe neu ausgeschrieben. Den Zuschlag erhalten zum 1. Juli jene Unternehmen, die im Juni zum niedrigsten Preis gelistet sind.
Zum Monatswechsel haben daher zahlreiche Hersteller ihre Preise massiv gesenkt, teilweise um bis zu 80 Prozent. Damit verändert sich nicht nur die Kalkulation für die Rabattvertragspartner, sondern für alle Hersteller und Kassen. Die Großhändler drohen daher nicht nur auf Produkten sitzengeblieben, deren Einkaufspreis plötzlich über dem neuen Erstattungspreis liegt. Aufgrund des prozentualen Aufschlags sind auch die Margen der Grossisten bei den entsprechenden Produkten dramatisch eingebrochen.
Nun ziehen die ersten Zwischenhändler ihre Konsequenzen. „Das ist reine Kamikaze“, sagte Dr. Roger Sorel, Geschäftsführer der Phoenix-Tochter Brocacef gegenüber APOTHEKE ADHOC. „Niemand hat über die Folgen der Ausschreibungen nachgedacht. Für uns ist eine Beteiligung an diesem Geschäft nicht zu verantworten.“
Brocacef liefert daher seit gestern bestimmte Produkte nicht mehr aus. In einem Schreiben informierte das Unternehmen die Apotheken über die Entscheidung, vorerst mit Ersatzpprodukten auszuhelfen. Inwiefern von der Blockade auch Schwesterkonzern Ratiopharm betroffen ist, war auf Nachfrage nicht zu erfahren. Einem Beobachter zufolge zählt das Ulmer Unternehmen, das wie Phoenix zum Merckle-Imperium gehört, wie Stada-Tochter Centrafarm zu den Gewinnern der umstrittenen Ausschreibung.
Bei Marktführer OPG steht ein Lieferboykott bislang nicht zur Diskussion. Man beobachte die Entwicklungen jedoch sehr genau und könne nicht ausschließen, mit ähnlich drastischen Schritten zu reagieren. Bereits vor zwei Wochen hatte das Unternehmen öffentlich auf die Entwicklungen aufmerksam gemacht. Großhandels- und Kettenverband wollen nun gegen die Art der Ausschreibung klagen. Auch die Generikahersteller sind über die Ausschreibungen der Versicherungen alles andere als glücklich und erwägen laut Verbandschef Dr. Frank Bongers ebenfalls juristische Schritte.
Den Apotheken bleiben nun vier Wochen, ihre Bestände nicht-rabattierter Produkte abzuverkaufen. Auch ihnen drohen schwerwiegende Konsequenzen: Aufgrund der bisherigen Rabatte im System war das Fixhonorar seit mehreren Jahren nicht mehr erhöht worden. Mit dem Wegfall der Zuschüsse entfällt ein wichtiger Teil des Einkommens. Regierung, Kassen und Verbänden steht ein heißer Juni bevor.