USA

Chefapotheker: Kein Mord, aber Betrug

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Berlin -

64 Menschen starben, 750 erkrankten: Vor fünf Jahren sorgte eine Meningitis-Welle in den USA für Schlagzeilen. Grund war eine verunreinigte Injektionslösung, die der Herstellbetrieb New England Compounding Center (NECC) aus Massachusetts an Kliniken in verschiedenen Bundesstaaten ausgeliefert hatte. Der verantwortliche Chefapotheker wurde nun vom Vorwurf des Mordes freigesprochen. Gleichzeitig wurde der 50-Jährige der organisierten Kriminalität und des Versandbetrugs für schuldig befunden.

Staatsanwältin Carmen Ortiz sagte Medienberichten zufolge, die Apotheke habe wissentlich hygienische Standards nicht eingehalten. „Produktion und Profit wurden über die Sicherheit gestellt.“ Als verantwortlicher Chefapotheker musste sich Barry Cadden nun vor Gericht verantworten; die Staatsanwaltschaft hatte ihn wegen Mordes in 25 Fällen angeklagt. Sein Anwalt kritisierte, dass ein „tragischer Unfall“ in ein Verbrechen verdreht werde: „Nicht jeder Unfall und nicht jede Tragödie werden durch kriminelles Verhalten verursacht.“ Cadden habe nie die Absicht gehabt, jemanden zu schädigen, sagte er bereits im Januar 2015 laut New York Times.

Dieser Argumentation folgte nun das Gericht in Massachusetts und sprach Cadden vom Vorwurf des Mordes frei. Schuldig sei er jedoch der organisierten Kriminalität und des Versandbetrugs. Wie hoch die Strafe letztendlich ausfallen wird, soll voraussichtlich am 21. Juni verkündet werden.

Im Oktober 2012 war bekannt geworden, dass das NECC Injektionslösungen ausgeliefert hatte, in denen Aspergillus nachgewiesen wurde. Bei Untersuchungen im Herstellbetrieb wurden zahlreiche mögliche Kontaminationsquellen ausgemacht, darunter stehendes Wasser, Schimmel und verschmutztes Equipment. Medienberichten zufolge hatten Mitarbeiter abgelaufene Zutaten benutzt und nicht ausreichend sterilisiert, Medikamente nicht auf Reinheit geprüft und Protokolle gefälscht. Sie sollen Chargen mit falschen Aufschriften deklariert haben, wenn dieses abgelaufen waren oder nie getestet wurden. Anschließend wurden die Arzneimittel verschickt.

Mehr als 17.650 potenziell kontaminierte Injektionsbeutel soll das NECC an 75 Kliniken in 23 Staaten versendet haben. Eigentlich hätten diese Produkte nur innerhalb von Massachusetts vertrieben werden dürfen, da sie von der FDA nicht zugelassen waren.

In der Folge wurden schärfere Auflagen für sogenannte Compounding-Apotheken verabschiedet. Diese mussten sich bis dahin bei der Arzneimittelbehörde FDA registrieren, jedoch unterlagen sie nicht den strengen Regelungen, die für Arzneimittelhersteller gelten. Im Laufe der Jahre wuchsen die Unternehmen zu Massenherstellern, praktisch unreguliert von den Behörden.

Auch das NECC hatte nicht nur patientenindividuelle Rezepturen hergestellt, sondern Medikamente für die breite Anwendung. Schon 2004 hatten die Behörden Missstände bei der Herstellung im NECC beanstandet. 2006 hatte die Apotheke zugestimmt, Inspektionen durchzuführen und Missstände zu beseitigen.

Im Dezember 2012 meldete das NECC Insolvenz an. Carla und Douglas Conigliaro, die das Unternehmen 1998 gegründet hatten, hatten laut einem Bericht der New York Times zuvor 33 Millionen US-Dollar auf acht verschiedene Konten verteilt. Insgesamt müssen sich 14 frühere Eigentümer und Angestellte des Herstellbetriebs vor Gericht verantworten. Während den beteiligten Apothekern vorgeworfen wurde, wissentlich Medikamente ausgeliefert zu haben, die mit Pilzen kontaminiert waren, wurden die anderen Beteiligten wegen Betrugs und zwischenstaatlichem Verkauf unreiner Drogen angeklagt.

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