Provisionsapotheken

Pessina: Arzt ist heilig, Apotheker nicht

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Berlin -

Die deutschen Apotheker sind beim Pharmacon in Schladming, Stefano Pessina ist beim Weltwirtschaftsforum in Davos. Dort erklärte er im TV-Interview der Nachrichtenagentur Bloomberg, warum im US-Markt viel Geld verschwendet wird und wie er den Markt in den kommenden fünf Jahren umkrempeln will. Den ersten Schritt ist er bereits gegangen: Die Walgreens-Filialen geben Produkte des Herstellers Valeant demnächst auf Provisionsbasis ab.

Pessina kennt keine Berührungsängste, wenn es darum geht, Mitbewerber aus dem Weg zu räumen. Mit Walgreens Boots Alliance (WBA) will er die Zukunft von Gesundheitsversorgung, Apotheke und Einzelhandel weltweit neu definieren. In den USA geht er bereits die ersten Schritte: Direct to patient ist die logische Erweiterung von Direct to pharmacy.

Mit dem angeschlagenen Pharmakonzern Valeant schloss Walgreens kurz vor Weihnachten eine auf 20 Jahre angelegte Vertriebsvereinbarung, die die Apotheken demnächst zu Abgabestellen des Herstellers werden lässt. Valeant nimmt laut Vereinbarung zunächst Ware im Wert von 150 Millionen US-Dollar zurück; die Packungen bleiben aber in den Filialen und werden künftig im Auftrag des Herstellers exklusiv zu 10 Prozent günstigeren Preisen und entsprechend niedrigeren Zuzahlungen abgegeben. Rund 30 Präparate, für die Generika existieren, gibt es bei Walgreens künftig zum generischen Preis. Die Kette erhält bei diesem Direktgeschäft eine Dienstleistungsgebühr. Auch unabhängige Apotheken sollen mitmachen können.

Schon vor zehn Jahren hatte der Italiener gezeigt, wie sich ein Markt auf diese Weise auf den Kopf stellen lässt: In Großbritannien hatte die Großhandelssparte, die damals noch unter dem Namen UniChem firmierte, einen Exklusivvertrag zunächst mit Pfizer und später mit weiteren Herstellern geschlossen. Seitdem funktioniert der Großhandelsmarkt nach komplett anderen Regeln. Die Hersteller bestimmen, welcher Großhändler ihre Präparate an die Apotheken liefern darf.

Allmählich dürften die Amerikaner erahnen, welche unkonventionellen Konzepte Pessina aus Europa mitgebracht hat. Der US-Markt sei sehr kompliziert strukturiert, was die Auslieferung von Medikamenten angehe, so Pessina im Bloomberg-Interview: Vom Hersteller bis hin zum Patienten seien mit Krankenversicherung, Pharmacy Benefit Manager (PBM), Großhändler und Apotheke viele Parteien involviert.

Angesichts fehlender Synergien werde viel Geld im System verschwendet, so Pessina in winterlicher Kulisse. „Wenn wir den Markt verdichten, können wir viel Geld sparen.“ Innerhalb von fünf Jahren könnten Teile der Branche vertikal integriert werden – der Italiener denkt an alle Stufen innerhalb der Lieferkette unterhalb der Herstellerebene. Nur die Ärzte müssten ausgenommen werden: „Sie müssen unabhängig sein bei der Verordnung von Arzneimitteln.“

Das Großhandelsgeschäft spielt für Pessina auch in Zukunft eine Schlüsselrolle – weil hier die Grundlage für den weltweiten Einkauf geschaffen, aber auch gutes Geld verdient wird. Außerdem soll die Logistik bei der Expansion in neue Märkte als Türöffner fungieren, wie Pessina vor einem Jahr erklärte: In diesem Bereich könne schneller eine kritische Größe aufgebaut werden als im Einzelhandel, zumal die Konsolidierung noch nicht zu Ende sei. Um das Thema Apothekenketten kümmert sich im Konzern eine spezielle Arbeitsgruppe, die gezielt zukaufen und den Kontakt zu den Entscheidern und Kostenträgern pflegen soll.

Walgreens hatte im Sommer 2012 für 6,7 Milliarden US-Dollar zunächst 45 Prozent der Anteile an Alliance Boots übernommen, für den Rest wurde eine Option vereinbart. Dafür musste Walgreens zum Jahreswechsel noch einmal rund 5 Milliarden Dollar in bar sowie 144,3 Millionen Aktien auf den Tisch legen, was zu einem Gesamtpreis von knapp 16 Milliarden Dollar führte. Mit etwa 13 Prozent ist Pessina größter Einzelaktionär bei WBA.

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