Pandemie bringt neue Rechte für Apotheker Patrick Hollstein, 06.11.2009 10:08 Uhr
Weil sich in Norwegen die Schweinegrippe rasant ausbreitet, hat das Gesundheitsministerium in Oslo jetzt neue Kompetenzen für die Apotheker geschaffen: Seit gestern dürfen alle Pharmazeuten in Eigenregie die Grippemittel Tamiflu (Oseltamivir) und Relenza (Zanamivir) abgeben - ohne dass der Patient ein Rezept vorlegen muss. Auf diese Weise sollen die Ärzte entlastet werden, die derzeit offenbar mit der Impfung mehr als ausgelastet sind.
In den vergangenen Wochen haben sich zahlreiche erkrankte Patienten bei den Behörden gemeldet, weil sie ihren Arzt nicht rechtzeitig erreichen konnten. Da die Neuraminidase-Hemmer aber innerhalb von 48 Stunden eingenommen werden müssen, hat die Regierung den Apothekern Anfang der Woche beschränkte Verschreibungsrechte eingeräumt.
Patienten müssen ein Formblatt ausfüllen und Angaben über ihre Symptome und ihre Krankheitsgeschichte machen. Erfüllt der Patient die vorgegebenen Kriterien, bekommt er Tamiflu für 50 Norwegische Kronen und Relenza für 51 Kronen. Dazu kommt eine Abgabegebühr von 20 Kronen; insgesamt zahlt der Patient also umgerechnet rund 8,50 Euro.
Es ist das erste Mal, dass Apotheker in Norwegen rezeptpflichtige Arzneimittel in Eigenverantwortung abgeben dürfen. Kommt der Patient für die pharmazeutische Verordnung nicht in Frage, muss er aber an den Arzt verwiesen werden.
Unbedenklich ist der Masseneinsatz von Grippemitteln Kritikern zufolge aber nicht: Bereits in den vergangenen Jahren war in Norwegen ein dramatischer Anstieg der Tamiflu-Resistenzen von H1N1-Grippeviren beobachtet worden: von 5 auf 67 Prozent. Dabei war es unerheblich, ob Patienten mit Oseltamivir vorbehandelt worden waren oder nicht. Forscher vermuten Punktmutationen des Enzyms Neuraminidase, an dem Oseltamivir normalerweise angreift.
Nach Schätzungen des norwegischen Gesundheitsministeriums sind bislang mehr als 175.000 der 4,8 Millionen Norweger an der Schweinegrippe erkrankt, es gibt 15 bestätigte Todesfälle. Die Regierung hatte 9,4 Millionen Dosen Pandemrix des Herstellers GlaxoSmithKline bestellt.