Orkambi im Apothekereigenbau APOTHEKE ADHOC, 15.12.2017 13:11 Uhr
Ein niederländischer Apotheker will das Mukoviszidose-Medikament Orkambi (Ivacaftor/Lumacaftor) künftig selbst herstellen. Damit würde er gegen das Patentrecht verstoßen, dafür aber die Kosten drastisch senken. Der Hersteller Vertex hat auf den Vorstoß noch nicht reagiert.
Er könne alle 750 unter der Stoffwechselerkrankung leidenden Patienten im Land versorgen, für die das Arzneimittel geeignet sei, sagte Paul Lebbink, Chef der Transvaal Apotheek in Den Haag, dem Sender NOS. Eine Tablette kostet in den Niederlanden 100 Euro pro Stück noch ohne Mehrwertsteuer, der Apotheker glaubt, sie für 20 Euro produzieren zu können. Das würde den Krankenkassen jährlich einen zweistelligen Millionenbetrag ersparen. Lebbink hat bereits andere Präparate Marke Eigenbau im Sortiment. „Wir stellen sie in der selben Qualität her, und wir machen sie ein gutes Stück preiswerter“, berichtete er der Omroep West. Dafür investierte er in modernes Equipment, zuletzt in eine Tablettenpresse.
Die Ankündigung des Apothekers kommt zum passenden Zeitpunkt. Derzeit berät das niederländische Parlament mögliche Kursänderungen in der Arzneimittelpolitik. Dabei kommen auch das Patentrecht der pharmazeutischen Industrie und die sich daraus ergebenden Beschränkungen für die Apotheker auf den Prüfstand. Der neue rechtsliberale Gesundheitsminister Bruno Bruins lässt noch untersuchen, welche Möglichkeiten es für Apotheker gibt, eigentlich patentgeschützte Medikamente selbst herzustellen.
Orkambi wurde 2015 von der EU-Kommission für die Vermarktung in Europa zugelassen. Bruins Vorgängerin und Parteifreundin Edith Schippers hatte sich harte Verhandlungen mit Vertex geliefert. Dem Hersteller schwebten ursprünglich Behandlungskosten von 170.000 Euro pro Jahr und Patient vor, und das obwohl nur etwa die Hälfte aller 1500 Mukoviszidose-Patienten in den Niederlanden davon profitieren kann. Das hätte Gesamtkosten in Höhe von 127,5 Millionen Euro verursacht.
Viel zu viel, fand Schippers und forderte eine Preissenkung in Höhe von 63 Prozent. Als Abschiedsgeschenk an die neue Koalitionsregierung vermeldete die Ministerin Ende Oktober eine Einigung mit Vertex. Über die Höhe des neuen Preises drang nichts an die Öffentlichkeit. Zum 1. November wurde das Medikament in das Erstattungspaket der Krankenkassen aufgenommen.
Auch wenn Schippers wirklich ihre gewünschten 63 Prozent Nachlass bekommen habe, könne er die Behandlung zu einem Drittel des neuen Preises ermöglichen, konterte Lebbink im Interview mit Business Insider Nederland. „Wenn wir große Mengen der Grundstoffe einkaufen, dann geht es für 20.000 Euro pro Jahr und Patient.“
Er habe bereits einen Lieferanten in China gefunden. „Natürlich müssen wir dann genau untersuchen, ob die Stoffe nicht verunreinigt sind, und dann schauen, ob alles so funktioniert, wie wir uns das vorstellen.“ Erst werde auf kleinem Niveau produziert, ohne Verpflichtungen. Eine Produktion für 750 Patienten scheue er nicht. „Wir stellen auch Cannabis-Öl für die gesamte Niederlande her, und das für mehr als 1000 Patienten pro Monat.“
Rückendeckung erhält Lebbink von der niederländischen Apothekerorganisation KNMP. „Natürlich ist es gut, wenn innovative Hersteller Produkte auf dem Markt bringen, aber das muss zu annehmbaren Preisen geschehen“, sagte ihr Vorsitzender Gerben Klein Nulent. „Doch die Preise, die jetzt unter anderem für Orkambi zirkulieren, finden wir völlig inakzeptabel.“
Auch andere Apotheken in den Niederlanden bauen Medikamente nach. Doch niemand hat sich bisher an ein teures, patentgeschütztes Medikament gewagt. Die rechtliche Ausgangslage ist noch umstritten. Klein Nulent verweist auf die Rechtsprechung, sie erlaubt es Apotheken, auch mit Patent belegte Arzneimittel für die eigenen Patienten herzustellen.
Noch hat Vertex nicht auf die Herausforderung reagiert. Doch Lebbink gibt sich keinerlei Illusionen hin: „Ich bin mir zu 99,9 Prozent sicher, dass ich von Vertex einen Prozess an den Hals kriege. Lass sie mal kommen. Ich rechne mit genug Unterstützung.“