USA

Old Post Office: Pessina sticht Amazon aus Gabriele Hoberg, 20.06.2018 12:13 Uhr

Berlin - 

Walgreens Boots Alliance (WBA) zieht mit einem Teil der Belegschaft in das ehemals größte Postgebäude in den Staaten, das „Old Post Office” in Chicago. Das Objekt wurde seit Monaten auch als potenzielles Zuhause für Amazons zweites nordamerikanisches Hauptquartier gehandelt (HQ2). Nun hat Bürgermeister Rahm Emanuel bekannt gegeben, dass der Apothekenkonzern der erste neue Mieter in dem denkmalgeschützten Gebäude wird.

Die Bereiche IT, Digital, Mobile und E-Commerce sowie das University-Trainingsprogramm sollen am neuen Standort angesiedelt werden, was rund 1800 Mitarbeiter betrifft. Sie sind dann ab Herbst 2019 rund 40 Autominuten oder 43 Kilometer von ihren 3200 Kollegen am Hauptstandort in Deerfield, Illinois, entfernt.

„Investitionen in unsere Infrastruktur und den Ausbau unserer digitalen und technischen Kapazitäten sind wesentliche Elemente unserer Strategie [...]. Der Platz im ikonischen Old Post Office Gebäude ermöglicht es uns, die besten Talente aus ganz Chicagoland anzuziehen und zu halten”, sagte Alex Gourlay, kaufmännischer Geschäftsführer von Walgreens. Gourlay und Emanuel nutzten eine Pressekonferenz am Montag für einen ausgedehnten Rundgang.

Etlichen TV-Sendern war das eine Reportage wert, denn der Chicagoer Bürgermeister wird einen Teil des berühmten alten Gebäudes los, das seit 20 Jahren vor sich hin staubte. Jetzt bekommt die Architektur-Ikone wieder Puls und Chicago einen weiteren wirtschaftlichen Mittelpunkt. Von den insgesamt rund 260.000 Quadratmetern des Gebäudes im Art Deco Design gehen knapp 19.000 an Walgreens. Tatsächlich hat die führende Apothekenkette in den USA – mittlerweile Teil des weltweit größten Pharmahandelskonzerns – 1901 mit einer kleine Apotheke in Chicago angefangen hat. Die Mitarbeiter arbeiten künftig im „old-new-office”auf einer Arbeitsfläche, die ungefähr 2,5 Fußballfeldern entspricht.

Ob Amazon ebenfalls in den Gebäudekomplex zieht, ist nicht klar. Angeblich will sich der Internetgigant jetzt im Willis-Tower einrichten, immerhin der zweithöchste Wolkenkratzer in den Staaten. Auch Denver, Philadelphia und Washington DC sollen noch in der engeren Auswahl sein.

Gerüchte, nach denen Amazon den Einstieg in den Apothekenmarkt vorbereitet, haben die Aktien von Ketten wie Walgreens seit mehr als einem Jahr auf Talfahrt geschickt. Da ist es ein gutes Zeichen für Konzernchef Stefano Pessina, dem übermächtigen Gegner wenigstens die gewünschten Büroflächen weggeschnappt zu haben.

Ohnehin gibt sich Pessina betont gelassen: Es gebe keine Branche, die so kompliziert sei wie der Apotheken- und Pharmamarkt, sagte er in einem Interview auf dem Forbes Healthcare Summit im vergangenen Jahr. Womöglich haben die Gerüchte um Amazon Pessina sogar noch stärker gemacht, denn seit einiger Zeit findet im US-Pharmahandel eine rasante Konsolidierung statt. Walgreens hat dank der Übernahme von weiten Teilen des Konkurrenten Rite Aid und der Allianz mit dem Großhändler AmerisourceBergen (ASB) eine führende Position. Aktuell gibt es Tendenzen, Krankenversicherer, Pharmacy Benefit Manager (PBM) und Apothekenketten zu verschmelzen.

So hat es WBA jetzt auch in den Dow Jones geschafft. Platzt gemacht hat General Electric (GE) mit zuletzt milliardenschweren Verlusten. Dass so ein traditionsreiches Unternehmen wie GE ab dem 26. Juni nicht mehr im Index gelistet ist, zeigt auch den generellen Wandel in der amerikanischen Wirtschaft: Branchen wie Pharma, Konsumgüter, Finanzen und Technik verdrängen zunehmend Industrieunternehmen.