Flexiblere Öffnungszeiten, mehr Filialapotheken pro Stammapotheke, mehr Kompetenz für Apotheker:innen: All das und weitere Veränderungen bringt eine Novelle des Apothekengesetzgesetzes in Österreich. Ende Februar soll sie im Parlament beschlossen werden. Ein Überblick.
Das österreichische Apothekengesetz stammt in seiner ursprünglichen Fassung aus dem Jahr 1906. Mit der geplanten Novelle findet die erste umfassende Anpassung der gesetzlichen Rahmenbedingungen seit 1984 statt. Ziel ist es, den Patient:innen mehr Beratung und Service zu bieten und die hohe Kompetenz der Apotheker:innen zu nutzen. Darüber hinaus zielt die Novelle darauf ab, die Bedeutung von Apotheker:innen als niederschwellig erreichbare Gesundheitsdienstleister zu stärken.
Mit dem neuen Apothekengesetz können die rund 1400 Apotheken in Österreich ihre Öffnungszeiten flexibler anpassen und deutlich verlängern. Anstelle der bisherigen 48 Stunden dürfen sie bis zu 72 Stunden pro Woche geöffnet sein. Unter der Woche können die Apotheken ihre Öffnungszeiten von 6 Uhr morgens bis 21 Uhr abends legen, samstags zwischen 6 Uhr und 18 Uhr. Die obligatorische Mittagspause wird gestrichen. Dadurch soll sich die Verfügbarkeit von Medikamenten auch außerhalb der üblichen Zeiten und an den Wochenenden verbessern.
Apotheker:innen können in Österreich zukünftig einfache Gesundheitstests eigenverantwortlich durchführen und auswerten. Zu den Tests gehören nicht nur der Nachweis von Infektionskrankheiten, wie der Influenza oder Covid-19. Auch Blutzucker- und Cholesterinwerte können in der Apotheke ermittelt werden. Das niedrigschwellige Angebot der Apotheken soll zur Früherkennung und allgemeinen Prävention beitragen und Arztpraxen entlasten.
Gegen das Problem der Polymedikation sollen Medikationsanalysen in den Fokus gerückt werden. Diese dürfen ausschließlich von Apotheker:innen ausgeübt werden. Mit der neuen pharmazeutischen Tätigkeit wird ihnen eine zusätzliche Kompetenz zugeschrieben.
Darüber hinaus wird die erlaubte Anzahl an Filialapotheken von einer auf drei erhöht. Somit zöge Österreich mit der deutschen Maximalzahl an Filialen gleich. Entsprechend muss für jede Filiale ein verantwortlicher Apotheker oder eine verantwortliche Apothekerin bestellt werden. Und: „Die Arzneimittelabgabe darf nur durch allgemein berufsberechtigte Apotheker erfolgen.“
Auch hier gilt die Bedarfsplanung: So darf sich in derselben Ortschaft keine öffentliche Apotheke, Filialapotheke oder ärztliche Hausapotheke befinden, außerdem muss die Hauptapotheke zu den drei nächstgelegenen öffentlichen Apotheken gehören. Die Bewilligung einer Filialapotheke ist zurückzunehmen, wenn eine neue öffentliche Apotheke in einer Entfernung von nicht mehr als vier Straßenkilometern in Betrieb genommen wird.
Allerdings muss die Filiale nur noch eine Offizin und eine sanitäre Anlage aufweisen; bislang war auch ein Waschraum vorgesehen. Eine Dienstbereitschaft außerhalb der jeweils festgesetzten Offenhaltezeiten entfällt. Allerdings kann auf Antrag eine Notfallbereitschaft außerhalb der jeweils festgesetzten Öffnungszeiten bewilligt werden, wenn dies für die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung erforderlich ist.
Zur Schließung von Versorgungslücken auf dem Land bekommen Apotheken außerdem die Möglichkeit, ausgelagerte Abgabestellen – im Gesetz dislozierte Abgabestellen genannt – einzurichten. Diese haben ein eingeschränktes Angebot und kürzere Öffnungszeiten. Zum Angebot zählen insbesondere vorbestellte Medikamente und solche, an denen ein wiederholter und regelmäßiger Bedarf besteht. Laut Gesetzesvorschlag darf die Gesamtöffnungszeit innerhalb einer Woche zehn Stunden nicht überschreiten. Voraussetzung für eine solche Abgabestelle ist, dass es im Versorgungsgebiet keine eigene Apotheke oder ärztliche Hausapotheke gibt. Die Apothekerkammer gibt an, dass eine dislozierte Abgabestellen beispielsweise in Gemeindeämtern eingerichtet werden können.
Die Zustellung „dringend benötigter Arzneimittel“ war bislang in einem Umkreis von sechs Straßenkilometern erlaubt, diese Vorgabe wurde gestrichen. Stattdessen dürfen Apotheken diese in „begründeten Einzelfällen“ und „in ihrem jeweiligen Versorgungsgebiet“ an Patienten zustellen oder die Zustellung veranlassen, „wenn ein zeitlicher Aufschub der Behandlung einen erheblichen gesundheitlichen Nachteil des Patienten befürchten lässt und die Beschaffung der Arzneimittel aus einer öffentlichen Apotheke nicht mehr rechtzeitig möglich ist“.
Bei neuen Apotheken müssen mindestens 51 Prozent der Anteile bei der Inhaberin oder dem Inhaber liegen. Bislang ist auch eine temporäre Beteiligung Dritter für maximal zehn Jahre in Höhe von 75 Prozent zulässig. Insbesondere der Großhandel ist hier sehr aktiv; teilweise sollen die Leiter wegen der vorgesehenen Frist in gewissen Zyklen ausgetauscht werden.
Außerdem müssen Apotheken und der pharmazeutische Großhandel gesetzlich festgelegte Aufzeichnungen über Arzneimittel führen. Diese Aufzeichnungspflicht gilt für Arzneimittel, die vom Bund oder den Ländern beschafft worden sind. Das Ziel ist, eine kontinuierliche Dokumentation der Medikamentenbestände zu gewährleisten.
Änderungen gibt es auch beim Konzessionsverfahren für Apotheken und ärztliche Hausapotheken, bei Pachtverträgen, bei der Verlegung von Apotheken sowie bei der Betriebsprüfung.
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