Hausapotheken

Experte: Ärzte haben nur „Surrogat-Funktion“

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Berlin -

In Österreich werden derzeit Erleichterungen für ärztliche Hausapotheken geplant. Experten des Wiener Instituts für Höhere Studien sehen das kritisch: „Die Ausweitung der Hausapotheken setzt Anreize zur Überverordnung zu Lasten der öffentlichen Hand und führt zu einer Ausdünnung der Vollversorgung mit Arzneimitteln in der Peripherie“, findet Dr. Thomas Czypionka, Leiter des Forschungsbereichs Gesundheitsökonomie und Gesundheitspolitik. Aus seiner Sicht sollte das Honorarsystem überarbeitet werden.

Die Koalitionsparteien planen derzeit Änderungen am Apothekengesetz, der Gesundheitsausschuss des Nationalrats hat diese in der vergangenen Woche beschlossen. Demnach sollen Praxen mit Hausapotheke, die an einen Nachfolger übergeben werden, ihr Privileg behalten, wenn die nächste Apotheke mindestens vier Kilometer entfernt ist – bislang sind es sechs Kilometer. Während derzeit Hausapotheken nur eröffnet werden dürfen, wenn sich in der Gemeinde keine öffentliche Apotheke befindet, sollen künftig nur noch die Entfernungsregeln gelten.

Durch diese Änderungen sollen rund 90 ärztliche Hausapotheken erhalten bleiben, die andernfalls schließen müssten, sobald der Praxisinhaber in den Ruhestand geht. Zum Ende des vergangenen Jahres habe es in Österreich 1340 öffentliche Apotheken, 28 Filialapotheken und 871 ärztliche Hausapotheken gegeben, zeigt Czypionka auf. Somit würden knapp 40 Prozent der Arzneimittelabgabestellen von Ärzten betrieben.

Natürlich stehe es dem Gesetzgeber grundsätzlich frei, die Arzneimittelversorgung auf bestimmte Berufsgruppen zu verteilen, räumt Czypionka ein. Dabei sollten die gesundheitsökonomischen Vor- und Nachteile einer Verlagerung zu den ärztlichen Hausapotheken aber behutsam abgewogen werden. „Das Prinzip der Trennung zwischen der verschreibenden und dispensierenden Hand im Gesundheitswesen macht ordnungspolitisch Sinn“.

Im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Staaten sei den österreichischen Landärzten die Medikamentenversorgung zugesprochen. Allerdings: Frühere Gesetzgeber hätten die „bloße Surrogat-Funktion“ stets betont und eben nicht eine Honorarkompensation im Sinn gehabt.

Mit dem Antrag der Regierungspartner sei geplant, das Schutzgebiet der ärztlichen Hausapotheken zu erweitern, um durch zusätzliche Einnahmen die Landflucht der Hausärzte zu verhindern. „Nach unserer Einschätzung ist diese ordnungspolitische Maßnahme suboptimal, da sie den Ärzten monetäre Anreize für eine sogenannte angebotsinduzierte Nachfrage ('supplier-induced demand') setzt“, so Czypionka. Die Folge könne ein „Überverordnen“ von Arzneimittel zu Lasten der öffentlichen Gesundheitsausgaben sein.

Diese gesundheitspolitisch negativen Effekte könnten ein nicht zu vernachlässigendes Ausmaß annehmen, warnt der Experte. Er verweist auf zwei Studien aus der Schweiz zum ärztlichen Dispensieren: Demnach lägen die Arzneimittelkosten pro Patient bei einem Arzt mit Hausapotheke rund ein Drittel höher als in der Apotheke.

Ein weiterer Aspekt ist Czypionka zufolge der geringere Versorgungsgrad der Hausapotheken: „Sie weisen eine geringere Lagerhaltung von Arzneimittel, einen niedrigeren Belieferungsgrad und geringere Öffnungszeiten auf“, erklärt er. Damit seien die ärztlichen Hausapotheken den öffentlichen Apotheken versorgungstechnisch unterlegen. Den Versorgungsauftrag könnten sie deshalb nur teilweise erfüllen. „Folglich ist die ländliche Bevölkerung auf öffentliche Apotheken angewiesen, auch wenn diese sich nicht in ihrem eigenen Wohnort befinden.“

Czypionka warnt: „Der geplante Gesetzeseingriff könnte die Arzneimittel-Infrastruktur zu Gunsten der Hausapotheken verschieben, sodass sich dies mittelfristig auf die Versorgungsdichte der öffentlichen Apotheken in ländlichen Gebieten negativ auswirken wird.“ Der Versorgungsgrad mit seltenen und teuren Medikamenten würde sich seiner Meinung nach sogar verringern.

„Grundsätzlich ist eine Stärkung der medizinischen Versorgung in weniger dicht besiedelten Gebieten zu befürworten“, betont Czypionka abschließend. Jedoch sollte die Attraktivierung der ländlichen Ordinationen seiner Meinung nach durch Anreize innerhalb des Honorarsystems erfolgen und nicht durch eine Ausweitung von ärztlichen Nebeneinkünften, die zu Interessenkonflikten führten.

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