Etwa jeder zweite Bewerber auf einen Pharmaziestudienplatz in Deutschland geht leer aus. Für das kommende Wintersemester kamen auf 1864 verfügbare Plätze laut Stiftung Hochschulstart 4414 Interessierte. Für ihren Traumberuf gehen einige Interessenten daher nach Österreich: Insgesamt 275 Deutsche lassen sich derzeit an den Instituten in Wien, Graz und Innsbruck zu Pharmazeuten ausbilden. Einen Numerus Clausus (NC) gibt es bei den Nachbarn nicht. Bewerber müssen aber andere Hürden nehmen.
Was zieht Deutsche zum Pharmaziestudium nach Österreich? Ein Grund ist sicher, dass es keine sprachlichen Schwierigkeiten gibt. Daneben spielen laut Studienberatung Innsbruck soziale Gründe eine Rolle: So wollen die deutschen Studenten das Leben in den Bergen genießen oder ziehen wegen Freunden oder Familienmitgliedern, die bereits im Nachbarland wohnen, auf die andere Seite der Grenze.
Der Studienberatung Innsbruck zufolge ist auch ein in Deutschland nicht erreichter NC oft ausschlaggebend. Denn während der Abiturschnitt in Deutschland – je nach Studienstandort – für Pharmazie oft im Einserbereich liegt, spielt er bei den Nachbarn gar keine Rolle. Aber dafür müssen dort die Studieninteressierten einen Aufnahmetest absolvieren, wenn die Bewerberzahl die Anzahl der verfügbaren Plätze übersteigt, was regelmäßig der Fall ist.
Geprüft wird an den Universitäten in zwei Stufen: Zunächst müssen die Bewerber ein Online-Assessment absolvieren. In der zweiten Stufe werden die erfolgreichen Kandidaten zu einem zweistündigen Examen an die Universität geladen. Im Multiple-Choice-Verfahren wird Wissen aus den Fächern Biologie und Chemie abgefragt. Zudem wird das Textverständnis eines Fachtests geprüft. Auch Logikaufgaben müssen bewältigt werden. Um am Test teilnehmen zu können, müssen die Bewerber 50 Euro zahlen.
Der Curriculums-Vorsitzende Professor Dr. Martin Schmid von der Universität Graz berichtet, dass einige Studenten aus Deutschland mit dem Pharmaziestudium zunächst nur die Wartezeit bis zum Medizinstudium überbrücken wollten. Dann jedoch gefalle manchen das Studium so gut, dass sie bei der Pharmazie blieben.
Deutsche, die schon in der Heimat Pharmazie studiert haben, aber etwa wegen nicht bestandener Prüfungen zwangsexmatrikuliert wurden, bekommen in Österreich eine zweite Chance. „Wir fragen nicht nach der Vorbildung“, heißt es von der Uni Innsbruck. Lediglich eine Hochschulzugangsberechtigung sowie der bestandene Aufnahmetest seien entscheidend. Das bestätigen die Universitäten Graz und Wien.
In einigen Studiengängen an österreichischen Unis – etwa Medizin oder Psychologie – machen Deutsche teils mehr als die Hälfte aller Teilnehmer aus. Überfüllte Hörsäle sind die Folge, was die österreichischen Studenten nicht unbedingt freut.
So extrem ist es in der Pharmazie noch nicht. An der Universität Innsbruck stehen im kommenden Wintersemester 270 Pharmaziestudienplätze zur Verfügung. 369 haben sich auf die Plätze beworben. Ganze 92 Bewerber sind aus Deutschland – also immerhin ein Viertel. Sie mussten in diesem Jahr am 2. September zum Aufnahmetest antreten. Erst wenn die Tests ausgewertet seien, stehe fest, wie viele Studenten aus Deutschland tatsächlich aufgenommen würden, teilt die Universität Innsbruck mit.
Im auslaufenden Diplomstudiengang Pharmazie der Uni sind 318 Studenten eingeschrieben, davon sind 75 Deutsche. Somit beträgt auch hier der Anteil der Deutschen fast ein Viertel (24 Prozent). Im Pharmazie-Bachelor, auf den Österreich im vergangenen Wintersemester umgestellt hat, studieren 95. Von ihnen kommen 18 aus Deutschland, somit sind hier „nur“ 19 Prozent der Studenten Deutsche.
An der Universität Wien studieren derzeit 696 im Pharmazie-Bachelor. Davon sind 30 aus Deutschland; das entspricht einem Anteil von etwas mehr als 4 Prozent. Im auslaufenden Diplomstudiengang Pharmazie sind 1896 Studenten eingeschrieben; darunter 132 Deutsche, was knapp 7 Prozent entspricht. In der Hauptstadt fanden die Prüfungen für die Aufnahme zum kommenden Wintersemester am 1. September statt.
An der Universität Graz können zum Wintersemester 384 neue Pharmazeuten ausgebildet werden. Auf die Plätze haben sich 419 beworben, davon stammen 18 (etwa 4 Prozent) aus Deutschland. Die Bewerber mussten ebenfalls am 2. September den Aufnahmetest ablegen. Derzeit studieren in Graz insgesamt 858 angehende Apotheker, darunter sind lediglich 20 Deutsche – das entspricht etwas mehr als 2 Prozent.
Wollen die Deutschen nach ihrem Studium wieder in die Heimat zurück und dort als Apotheker arbeiten, muss der ausländische Pharmazieabschluss anerkannt werden. Aufgrund der EU-Abmachungen wird der österreichische Abschluss in Deutschland automatisch als gleichwertig betrachtet. Mit dem geplanten europäischen Berufsausweis für Apotheker soll die Gleichstellung noch weiter vereinfacht werden.
Fächerübergreifend ist Österreich das beliebteste Auslandsziel deutscher Studenten. Laut Angaben der Statistik Austria waren im vergangenen Studienjahr mehr als 34.000 deutsche Studenten in Österreich eingeschrieben – so viele wie noch nie zuvor. Zehn Jahre zuvor waren es noch nur rund 11.000. Bereits über 670 Kooperationen zwischen den Hochschulen beider Länder gibt es laut dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD).
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