Mehr Ärzte dürfen dispensieren APOTHEKE ADHOC, 28.04.2016 14:33 Uhr
Ärzte in Österreich dürfen künftig auch in Gemeinden eine eigene Hausapotheke betreiben, wenn es dort schon eine öffentliche Apotheke gibt. Diese Erleichterung hat heute der Nationalrat beschlossen. Die Regierungsparteien erhoffen sich von der Änderung des Apothekengesetzes nicht nur eine bessere Medikamentenversorgung, sondern auch einen Anreiz für Landärzte. Im Plenum wurde daher auch der Ruf laut, die Rahmenbedingungen für Mediziner auf dem Land zu verbessern.
Mit den Änderungen werden die Kriterien für die Genehmigung von ärztlichen Hausapotheken gelockert. So dürfen Ärzte künftig auch dann Arzneimittel abgeben, wenn es in der Gemeinde zwar eine Apotheke gibt, diese aber mehr als sechs Kilometer entfernt ist. Bislang ist das nicht möglich.
Außerdem wurde eine 2006 abgeschaffte Sonderregelung wieder eingeführt. Diese erlaubt es Ärzten, die eine Praxis mit Hausapotheke übernehmen, diese weiterzuführen, wenn die nächste Apotheke vier Kilometer entfernt ist. Zwischenzeitlich waren auch für solche Praxen sechs Kilometer Mindestabstand vorgeschrieben. Diese Nachfolgeregelung gilt rückwirkend ab Mai 2015 und unabhängig davon, ob die Nachfolge lückenlos oder nach einer bestimmten Vakanz erfolgte.
Die Opposition stimmte gegen die Lockerungen. Maßnahmen, die nur dazu führten, dass Ärzte eher am Land praktizierten und ihr Einkommen aufbesserten, könnten aus gesundheitspolitischer Sicht nicht akzeptiert werden, so die Gesundheitssprecherin der Grünen, Dr. Eva Mückstein. Wenn Ärzte Medikamente verschrieben und von deren Verkauf direkt profitierten, komme es in der Regel zu einer Überverordnung.
Dieser Argumentation schloss sich der Gesundheitssprecher der NEOS, Gerald Loacker, an. Grundsätzlich gehe es um Patientensicherheit und um das Vier-Augen-Prinzip in öffentlichen Apotheken. Eine Lösung für die ländlichen Regionen könnte aus seiner Sicht etwa in der Zustellung von Medikamenten liegen.
SPÖ und ÖVP gehen hingegen davon aus, dass die Medikamentenversorgung im ländlichen Raum durch die Novelle verbessert wird. Sehr viele Bürgermeister hätten Angst, dass sich ohne Weiterbewilligung einer Hausapotheke kein Nachfolger für eine Arztpraxis finden lasse, argumentierten etwa SPÖ-Gesundheitssprecher Erwin Spindelberger und Johann Singer (ÖVP).
Gesundheitsministerin Dr. Sabine Oberhauser (SPÖ) betonte, dass das Hauptaugenmerk der Medikamentenversorgung bei öffentlichen Apotheken liege. Gegenüber der Kritik von Grünen und NEOS meinte sie, dass die Novelle im Sinne der Patienten erarbeitet worden sei.
Experten des Wiener Instituts für Höhere Studien sahen die Änderungen kritisch: „Die Ausweitung der Hausapotheken setzt Anreize zur Überverordnung zu Lasten der öffentlichen Hand und führt zu einer Ausdünnung der Vollversorgung mit Arzneimitteln in der Peripherie“, befand Dr. Thomas Czypionka, Leiter des Forschungsbereichs Gesundheitsökonomie und Gesundheitspolitik. Aus seiner Sicht sollte das Honorarsystem überarbeitet werden.
Durch die Änderungen sollen rund 90 ärztliche Hausapotheken erhalten bleiben, die andernfalls schließen müssten, sobald der Praxisinhaber in den Ruhestand geht. Zum Ende des vergangenen Jahres habe es in Österreich 1340 öffentliche Apotheken, 28 Filialapotheken und 871 ärztliche Hausapotheken gegeben, zeigt Czypionka auf. Somit würden knapp 40 Prozent der Arzneimittelabgabestellen von Ärzten betrieben. Aus seiner Sicht sollte die Attraktivierung der ländlichen Ordinationen nach durch Anreize innerhalb des Honorarsystems erfolgen und nicht durch eine Ausweitung von ärztlichen Nebeneinkünften, die zu Interessenkonflikten führten.
Mit dem Änderungsantrag wird außerdem auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2014 reagiert: Der hatte die Vorgabe, dass für eine Apothekenkonzession mindestens 5500 potenzielle Kunden im Umkreis der Apotheke leben müssen, als zu starr kritisiert. Künftig soll in ländlichen und abgelegenen Regionen in Ausnahmefällen von diesem Kriterium abgewichen werden können, wenn dies im Interesse einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung dringend erforderlich ist.