„Krank daheim? Wir lassen dich nicht allein!“ Unter diesem Slogan werden in der österreichischen Kleinstadt Wels und Umgebung Medikamente per Taxi ans Krankenbett der Patienten geliefert. Alle 18 Apotheken der Region, der ärztliche Notdienst und ein Taxiunternehmen stehen hinter dem Projekt.
Das Angebot richtet sich vor allem an Menschen, die selbst nicht die Möglichkeit haben, sich nachts, am Wochenende oder an Feiertagen ihre Arzneimittel zu besorgen. „Das Rezept-Taxi kommt nur in dringenden Fällen zum Einsatz“, betont der Sprecher der Initiative, Ewald Wolfram, der in Wels die Stern-Apotheke betreibt. Der Notfall-Service soll über 90.000 Menschen in Wels und vier weiteren Umlandgemeinden erreichen. Zentrale Anlaufstelle für die Kranken ist der hausärztliche Notdienst. Dieser bestellt rezeptpflichtige, dringend benötigte Medikamente bei der diensthabenden Bereitschaftsapotheke, der Taxidienst liefert sie dann aus.
Konkret funktioniert das so: Wer sich an Feiertagen, Wochenenden oder nachts krank fühlt, muss zuerst den hausärtlichen Notdienst rufen. Der Notarzt stellt das Rezept mit den dringend benötigten Medikamenten aus und entscheidet nach Rücksprache mit dem Patienten, ob ein Taxi eingesetzt wird. Anschließend fotografiert er mit dem Handy das Rezept und übermittelt es an die nächstgelegene Bereitschaftsdienstapotheke. Dem hausärztlichen Notdienst wurden hierfür zwei Handys überreicht, in denen die Kontaktdaten der 18 Apotheken und deren Notdienstzeiten gespeichert sind.
In der Apotheke druckt man das Rezept aus und bereitet die Auslieferung vor. Dann bestellt der Apotheker ein Rezepttaxi, das die Medikamente abholt, direkt bezahlt, an die vorgegebene Adresse zustellt und den gesamten Rechnungsbetrag abkassiert. Die Zustellung soll innerhalb einer Stunde erfolgen. Dem Paket wird nach Angaben von Wolfram ein Informationsblatt mit den Kontaktdaten der abgebenden Apotheke für etwaige Rückfragen durch den Patienten beigelegt.
Neben den Kosten des Medikaments und der im Notdienst fälligen Rezeptgebühr von 5,85 fallen 11,70 Euro für die Hin- und Rückfahrt zur jeweiligen Apotheke an. Für die 18 Apotheker ist es dennoch ein Zuschussgeschäft. „Rein wirtschaftlich rechnet sich das natürlich nicht“, gibt Wolfram zu. Das Fahrgeld für das Rezepttaxi reiche nicht annähernd aus, um das System zu finanzieren. Deshalb richteten die teilnehmenden Apotheker einen Fonds ein, um das Defizit auszugleichen. „Uns geht es dabei nicht darum, Gewinne zu machen“, sagt der Pharmazeut. „Wir wollen zeigen, dass wir als Apotheker vor Ort im Gegensatz zum Versand uns noch um unsere Patienten wirklich kümmern und sie im Notfall nicht allein lassen.“
Denn die Zahl der alleinerziehender Mütter und Väter, aber auch älterer Menschen, die die Versorgung in den eigenen vier Wänden dem Seniorenheim vorziehen, steigt kontinuierlich. Deshalb müssten neue Betreuungsmodelle im Falle akuter Erkrankungen entwickelt werden, sind die Organisatoren überzeugt. Das Rezepttaxi trage dieser Entwicklung Rechnung und sei daher zukunftsweisend. Nach sechs Monaten ist eine Evaluierung geplant – bei positivem Ergebnis soll das Service dann auch auf rezeptfreie Medikamente ausgedehnt werden.
Eigentlich wurden die Initiative bereits vor elf Jahren ins Leben gerufen. Die Stadt Wien diente als Vorbild. Doch das Rezepttaxi fand damals keinen Zuspruch. „Das lag zum Teil sicherlich an den eingeschränkten Kommunikationsmöglichkeiten“, sagt Wolfram. Auch sei die Übermittlung der Rezeptangaben per Telefon fehleranfällig. Man habe es damals außerdem versäumt, sowohl Ärzte und als auch Bürger ausführlich über das Angebot und die Vorteile zu informieren. Daraus habe man gelernt und setze nun auf eine breite Informationskampagne.
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