Apotheker gegen Ärzte gegen Regierung APOTHEKE ADHOC, 18.11.2016 09:11 Uhr
Die Apotheker und Ärzte in Österreich sind in Aufruhr: Weil die Regierung in Wien im Rahmen der Bedarfsplanung die Niederlassung der Ärzte neu regeln will, laufen die Mediziner Sturm: Sie drohen mit Streik und einem Volksbegehren. Die Ärztekammer Niederösterreichs fordert auch ein generelles Dispensierrecht. Dagegen protestiert wiederum die Apothekerkammer Österreichs.
Die Ärzte in Niederösterreich gehören traditionell zu den lautesten Befürwortern einer Selbstdispensation; mit Kritik am bestehenden Apothekensystem halten sich die Funktionäre nicht zurück. Die Apothekerkammer weist die Forderung der Ärztekammer, Medikamente in Arztpraxen abzugeben, aufs Schärfste zurück. Medikamente gehörten in die Apotheke. Eine generelles Dispensierrecht für den Arzt wird kategorisch abgelehnt.
Dem angekündigte Volksbegehren der Ärztekammer „SOS Medizin“ liege die Angst der Ärztefunktionäre zugrunde, Macht und Einfluss im Gesundheitswesen aufgeben zu müssen. Es könne aber nicht sein, dass die Ärztekammer im Zuge ihrer Aufregung um die jüngsten Entwicklungen nun versuche, die Leistungen der Apotheken zu schmälern, so die Pharmazeuten. „Wir werden sicher nicht dulden, dass die niederösterreichische Ärztekammer auf diesem Weg versucht, Kleingeld für eine alte Forderung zu machen, die kein Gesundheitspolitiker mehr ernst nehmen kann“, so Heinz Haberfeld, Präsident der Apothekerkammer Niederösterreich.
Österreichs Regierung will die Bedarfsplanung für die Ärzte an die Regionen delegieren. Laut Gesundheitsministerium blieben die Ärztekammer weiter in die Planungen eingebunden. Neu sei vor allem die Verbindlichkeit der Planungen im Gesundheitswesen. Diese soll für niedergelassene Ärzte mittels Verordnungen sichergestellt werden. In den Verordnungen sollen Planungsvorgaben auf regionaler Ebene für die Kapazitäten für Kliniken und die ambulante Versorgung festgelegt werden. Ärztekammern sollen dann mit der Sozialversicherung aushandeln, wie die Kapazitäten umgesetzt werden, „wo welcher Doktor sitzt“. Die in der Verordnung vorgeschriebenen Kapazitäten schreiben vor, wie viele Ärzte zur Versorgung in einer bestimmten Region notwendig sind. Hintergrund der Reform ist die Demografie: Bis 2025 werden rund 60 Prozent der derzeitigen Hausärzte das Alter von 65 Jahren erreicht haben.
Diese Eingriffe in die Niederlassungsfreiheit wolle die Ärzte nicht tatenlos hinnehmen. Die Ärztekammer droht mit einem einwöchigen Generalstreik. Die Ärzte aus Niederösterreich wollen ihr Volksbegehren starten. Mit den Maßnahmen habe die Regierung einen „völligen Ausschluss des ärztlichen Sachverstands bei der Gesundheitsplanung in die Wege geleitet“, protestieren die Ärzte. Nunmehr würden Gesundheitsbürokraten die Gesundheitsversorgung entwerfen, wird beklagt.
Zudem habe die Bundesregierung beschlossen, die Finanzierungssteigerungen im Gesundheitswesen, ganz im Gegensatz zu allen anderen Gesellschaftsbereichen, zu deckeln – und das mit einem niedrigeren Prozentsatz. Dadurch würden dem österreichischen Gesundheitssystem insgesamt 4,6 Milliarden Euro entzogen: „Das ist eine massive Gefahr für alle Patientinnen und Patienten in Österreich.“
Dass Streikdrohungen aus der Wiener Ärztekammer keine leere Drohung sind, hat sich bereits im September gezeigt. In einem mehrstündigem Ausstand und einer Demonstration am Wiener Stephansplatz machten die Mediziner ihrem Ärger über Arbeitszeitregelungen im städtischen Krankenanstaltenverbund (KAV) Luft.