Nicht nur in Deutschland wird über Medikationspläne und über die elektronische Gesundheitskarte (eGK) diskutiert und gestritten. In Österreich gibt es seit Sommer sogar schon eine Pilotregion für die elektronische Arzneimittelversorgung – in Deutschlandsberg in der Steiermark. Bis 2017 sollte die e-Medikation dann in ganz Österreich „ausgerollt“ werden. Das Modell ist jetzt aber ins Stocken geraten. Die Ärzte steigen kurzerhand aus dem Projekt aus. Es geht ums Geld, um Technik und vermutlich auch um den Einfluss der Mediziner. Jetzt wollen die Apotheker das Projekt alleine schultern.
Ende Mai 2016 startete der Testlauf der e-Medikation in der Region Deutschlandsberg im Rahmen der österreichischen Gesundheitskarte ELGA. In Österreich ist das e-Medikationskonzept eine Mischung aus Medikationsplan und elektronischem Rezept. Die Ärzte tragen alle verordneten Arzneien in eine digitaler Liste ein, die der Patient als Code auf seinem Rezept in die Apotheke bringt. Der Apotheke scannt den Code und markiert das verordnete Arzneimittel als abgegeben. Unterm Strich ergibt sich so ein Überblick über verordnete und abgegebene Arzneimittel.
Jetzt steigen die Ärzte aber aus: „Den Ärzten im Bezirk Deutschlandsberg, die freiwillig und ohne jegliche Gegenleistung viel Zeit in den Pilotversuch E-Medikation gesteckt haben, reicht es“, heißt es in einer Mitteilung der Ärztekammer Steiermark. Der Pilotversuch sei von Anfang an von Problemen begleitet gewesen. Mangelnde Kompatibilität der e-Medikations-Applikation mit der Ärztesoftware habe zu Ausfällen und erheblichen Zeitverzögerungen geführt, klagen die Mediziner. Die SV-Chipkarten Betriebs- und Errichtungsgesellschaft (SVC) habe die technischen Probleme nicht lösen können.
Damit treffen die Ärzte den wunden Punkt: Denn eigentlich sind Ärzte wie Apotheker per Gesetz zur Teilnahme an der e-Medikation verpflichtet. Es sei denn, die technischen Voraussetzungen stehen noch nicht fehlerfrei zur Verfügung. Da bei Pilotprojekten regelmäßig Probleme auftreten, sollte der Testlauf in Deutschlandsberg auch um zwei Monate verlängert werden.
Jetzt haben die Ärzte die „letzte Ausfahrt“ erwischt. Denn ähnlich wie in Deutschland stößt die e-Medikation bei Österreichs Medizinern auf wenig Gegenliebe: Sie haben Angst vor der damit verbundenen größeren Transparenz, fürchten die Kontrolle durch die Krankenkasse und erhalten zudem kein Geld. Von 60 Kassenärzten der Region Deutschlandsberg haben sich denn auch nur 19 beteiligt: Aber alle neun Apotheken waren an Bord.
„Es wird gepokert“, glaubt ein Kenner der Lage im Alpenland. Sollte die e-Medikation nämlich 2017 in ganz Österreich eingeführt werden, erhalten die Ärzte einmalig einen Zuschuss von 1000 Euro. Das ist ihnen viel zu wenig. Und es gibt noch einen weiteren Grund für den Ausstieg zum jetzigen Zeitpunkt: Im nächsten Frühjahr wird die Besetzung Ärztekammer neu gewählt. Mit Widerstand gegen die unpopuläre e-Medikation glauben die Funktionäre offenbar punkten zu können.
Wie es mit der e-Medikation in Österreich weitergeht, muss man abwarten. Vermutlich wird es Verzögerungen geben. Aber aufhalten können werden die Ärzte das Projekt wohl nicht. Denn inzwischen haben die Apotheker angeboten, die e-Medikation notfalls alleine zu stemmen. Die Österreichische Apothekerkammer bekräftigte zwar, dass die Apotheker das Projekt „e-Medikation“ unterstützen und dass eine Zusammenarbeit aller Gesundheitsberufe bei der Umsetzung wünschenswert wäre. „Falls dies nicht erfolgt, ist es aus Sicht der Apothekerkammer möglich, dass die Apotheken unter bestimmten Rahmenbedingungen die e-Medikation auch alleine durchführen“, so Mag. pharm. Max Wellan, Präsident der Österreichischen Apothekerkammer.
Die e-Medikation bringe den Patienten Vorteile, da mit Hilfe dieser Informationsquelle das Risiko von Wechselwirkungen und Mehrfachverordnungen reduziert und die Sicherheit zur richtigen Einnahme erhöht werde. Die Apotheke sei der Ort, wo die Informationen über Rezepte und Medikamente zusammenlaufen. Die Beratung zur richtigen Einnahme von Arzneimitteln, die Information zu Wirkungen, Neben- und Wechselwirkungen sei eine zentrale Kompetenz der Apothekerinnen und Apotheker. Wellan: „Wir haben in der Apotheke den Überblick über alle eingenommenen Präparate.“
Ganz so einfach ließe sich der Ausstieg der Ärzte dann aber doch nicht kompensieren: Die Umsetzung der e-Medikation in der Apotheke ohne technische Einbindung der Ärzte erfordere jedoch neue Rahmenbedingungen: Der Mehraufwand für die Apotheken sei beträchtlich und müsse abgegolten werden.
Österreichs Gesundheitsministerium spielt auf Zeit und zeigt Verständnis für den Ärger der Ärzte über die technischen Probleme. Am Ende stehen wird daher vermutlich ein Kompromiss. Die Ärzte erhalten einen etwas höheren Investitionszuschuss für die e-Medikation und kehren Pilotprojekt in Deutschlandsberg zurück.
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