Der österreichische Nationalrat hat eine Novelle zum Apothekengesetz beschlossen. Wenn Behörden künftig die Neuansiedlung von Apotheken genehmigen, ist es nicht mehr zwingend erforderlich, eine Mindestgrenze von 5500 zu versorgenden Personen einzuhalten. Damit wird einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) Folge geleistet.
Künftig soll die optimale Verfügbarkeit von Arzneimitteln für die Bevölkerung das Hauptkriterium für eine Apothekenbewilligung sein. Nach der nun im Nationalrat beschlossenen Novellierung des Apothekengesetzes kann die Mindestzahl der im nächsten Umkreis versorgten Personen – derzeit 5500 – unterschritten werden, falls eine neue Apotheke im Interesse der Lokalbevölkerung liegt.
Dies sei etwa dann der Fall, wenn es sich um ein wachsendes Siedlungsgebiet handele, heißt in dem gemeinsamen Antrag von SPÖ, ÖVP, FPÖ und Grünen, der der Novelle zugrunde lag. Auch wenn sich im näheren Umkreis größere medizinische Einrichtungen oder ein Krankenhaus mit mehreren ambulanten Einrichtungen befinden, soll es Ausnahmen geben. Dasselbe gilt bei bedeutenden und stark frequentierten Verkehrsknotenpunkten wie Flughäfen oder Hauptbahnhöfen.
Gemäß dem geänderten Apothekengesetz sollen bei der Prüfung des Versorgungsangebots „bestehende Apotheken einschließlich Filialapotheken und ärztliche Hausapotheken“ berücksichtigt werden. Der Gesetzesbeschluss muss noch den Bundesrat passieren, dessen Zustimmung allerdings als sicher gilt. Die Novelle soll dann voraussichtlich Anfang Dezember in Kraft treten.
Mit der Novellierung folgte der Nationalrat einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom Juni 2016. Das war bereits das zweite Mal innerhalb weniger Jahren, dass sich der EuGH mit dem österreichischen Apothekengesetz beschäftigt hat. Obwohl Österreich bereits 2014 infolge eines EuGH-Urteils das Apothekengesetz anpassen musste, gingen den europäischen Richtern die Änderungen nicht weit genug. Die von EuGH geforderte Flexibilisierung wurde zwar umgesetzt, jedoch eingeschränkt auf ländliche und abgelegene Gebiete.
Der EuGH hat mit seiner neuerlichen Entscheidung aus dem Jahr 2016 klargestellt, dass auch diese Einschränkung unzulässig ist. Die Ortsgegebenheiten müssten in jedem einzelnen Fall geprüft werden. Im Rahmen dieser Prüfung müssten die Behörden – das sind in Österreich Bezirkshauptmannschaften – abschätzen, ob eine rasche und zumutbare Erreichbarkeit von Apotheken gewährleistet ist.
Auch wenn die Behörden künftig flexibler über Ausnahmegenehmigungen für Apotheken entscheiden könne, bleibt die Bedarfsprüfung für Apotheken auch mit der Novellierung des Apothekengesetzes weiterhin bestehen. Die Nationalratsabgeordnete Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ) begrüßte die Änderungen, die ihrer Meinung nach zu einer besseren Versorgung im ländlichen Raum beitragen werden, hielt den grundsätzlichen Gebietsschutz für Apotheken aber für richtig. Eine totale Liberalisierung und Privatisierung im Gesundheitswesen sei der falsche Weg. Dies belegten viele negative Beispiele in anderen Ländern.
„Die Bedarfsregelung und die daraus resultierende flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln und Gesundheitsdienstleistungen ist ein österreichisches Erfolgsmodell und hat sich seit Jahrzehnten bewährt“, sagte auch Dr. Hans Steindl, Geschäftsführer der Österreichischen Apothekerkammer.
Dass die Bedarfsregelung funktioniere, belege die Entwicklung der Anzahl und die „geographisch sinnvolle“ Verteilung der neuen Apotheken in Österreich. So habe sich in den vergangenen 30 Jahren die Anzahl der Apotheken von 918 auf 1368 um 450 erhöht. Die Hälfte aller Apotheken soll auf die ländlichen Regionen oder Kleinstädte entfallen. „Der Fortbestand der Bedarfsregelung ist im Hinblick auf die gute, flächendeckende Versorgung der Österreicherinnen und Österreicher mit Arzneimitteln und Gesundheitsdienstleistungen erforderlich und sinnvoll“, verteidigt die Apothekenkammer die bestehende Bedarfsplanung.
Neben der Frage der Neukonzessionen gab es in den vergangenen Jahren auch heftige Diskussionen um Regelungen für die ärztlichen Hausapotheken. Dabei ging es vor allem um Kilometerabstandsgrenzen und Nachfolgeregelungen für Allgemeinmediziner mit Hausapotheken. So kämpfen beispielsweise derzeit zwei Ärzte im niederösterreichischen St. Veit an der Gölsen gegen die Eröffnung einer öffentliche Apotheke. Nachdem die Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld die umstrittene Apotheke genehmigt hat, wollen sie nun vor das Landesverwaltungsgericht ziehen.
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