Die Drogeriekette dm kämpft in Österreich weiter gegen die Apothekenpflicht. Vor dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) musste der Konzern zwar eine Niederlage hinnehmen. Doch dm plant bereits einen weiteren Anlauf. Geschäftsführer Harald Bauer fühlt sich vom EuGH-Urteil zu Rx-Boni im Aufwind.
Die Drogeriekette will alle nicht-rezeptpflichtigen Arzneimittel in den eigenen Filialen abgeben und hat vor dem VfGH auf Änderung des Arzneimittelgesetzes sowie des Apothekergesetzes geklagt. Doch der Antrag wurde schon aus formalen Gründen abgelehnt: Nur die angegriffenen Paragrafen aufzuheben, würde das Apothekenmonopol nämlich nicht beseitigen, so die Verfassungsrichter. Das Arzneimittelgesetz verbiete auch dem Großhandel, OTC-Arzneimittel an Drogerien abzugeben.
Das Gericht musste daher in der Sache gar nicht entscheiden. „Es kann daher offen bleiben, ob der Antrag im Übrigen alle Prozessvoraussetzungen eines Individualantrages erfüllen würde“, heißt es in der Begründung. Der Antrag sei zurückzuweisen.
Bei dm empfindet man die Entscheidung nicht als Niederlage: „Unsere Anwälte haben eine Reihe von gesetzlichen Bestimmungen als verfassungswidrig benannt. Der Gerichtshof sieht darüber hinaus aber weitere Normen, die zu prüfen sind. Wir werden unseren Antrag daher in diesem Sinn erweitern und damit den vom VfGH vorgezeichneten Weg einschlagen“, so Bauer.
Die Ausführungen des Gerichts sind für Bauer sogar „ein erster wichtiger Erfolg“. Aus der Entscheidung sei nämlich auch abzuleiten, dass es den Antrag gegen das Apothekenmonopol „grundsätzlich für prüfenswert“ erachte. dm trommelt seit 2008 für eine Liberalisierung des Apothekenmarktes.
Für den neuen Anlauf fühlt sich dm durch das EuGH-Urteil zu Rx-Boni bestärkt, das der dm-Kooperationspartner Zur Rose über seine Tochter DocMorris erstritten hatte. Zwar sei es dabei nicht um die Apothekenpflicht, sondern um die Preisbindung gegangen. Trotzdem habe man „indirekt Rückenwind“ erhalten: Der EuGH habe festgestellt, dass bestimmte Zugangsbeschränkungen nicht dazu geeignet sind, Gesundheit und Leben zu schützen. „Dies muss wohl auch für den Bereich der rezeptfreien Arzneien gelten und für den stationären Verkauf in der Drogerie, der im Vergleich zum Vertrieb im Internet deutlich sicherer gestaltet werden kann“, so Bauer.
Auch in Österreich werde sich die Argumentation der Apotheker und des Gesetzgebers nicht aufrecht erhalten lassen, wonach das Apothekenmonopol per se eine zentrale Voraussetzung dafür sei, dass die Menschen die richtigen Medikamente in der richtigen Dosierung zum richtigen Zeitpunkt verwenden, argumentiert der dm-Geschäftsführer.
dm hatte im März vor dem VfGh einen sogenannten Individualantrag gestellt. Der Konzern verwies auf den seit Juni 2015 zugelassenen Versandhandel: Auch Drogerien könnten pharmazeutische Beratung per Telefon oder Internet anbieten und „jegliche speziellen Anforderungen beispielsweise an Logistik oder Lagerung“ erbringen.
Drogerien könnten genauso wie Apotheken sicherstellen, dass die Menge der pro Person abgegebenen OTC-Präparaten dem üblichen persönlichen Bedarf entspreche, so dm. Die Qualität könne im Vergleich zum Versandhandel sogar besser sein, da kein risikoreicher Transport „durch meist nicht spezialisierte Zusteller“ vorliege.
OTC-Präparate würden bereits heute in Apotheken „ohne Weiteres an jeden, der sie verlangt, abgegeben“, sagte Rechtsanwalt Dr. Walter Schwartz, der die Drogeriekette vertritt. Eine Prüfung oder ein Beratungsgespräch sei in der Praxis keineswegs selbstverständlich. Zudem unterlägen potenziell gesundheitsgefährdende Arzneimittel ohnehin der Rezeptpflicht.
Der Gesetzgeber müsse nicht nur die Kosten der Krankenkassen im Blick haben, sondern auch Strukturen beseitigen, die die Kunden unnötig belasteten, so Bauer. Verbraucher zahlten für das Apotheken-Monopol, hatte er schon 2012 öffentlich kritisiert. An der österreichischen dm-Tochter, die die Beteiligungen der Drogeriekette im osteuropäischen Ausland verwaltet, ist neben dem deutschen Mutterkonzern und der Familie Bauer die Handelsgruppe Spar beteiligt.
Kammerpräsident Max Wellan warnte dagegen vor unkontrollierten Vertriebswegen und Lockangeboten. Bei falscher Anwendung könne jedes Arzneimittel zu gesundheitlichen Problemen führen. Der Vorstoß von dm, rund 200 Arzneimittel anbieten zu wollen, sei „reinste Rosinenpickerei“.
Ziel der Arzneimittelversorgung sei eine Optimierung in der Einnahme und keine Maximierung, so Wellan. Kranke Menschen sollten so viele Arzneimittel wie notwendig, aber so wenige wie möglich einnehmen. Österreichischen Apothekern gelinge dies vorbildhaft: Der Arzneimittelkonsum liege im Land unter dem europäischen Schnitt. Der vernünftige Umgang mit Arzneimittel gehe auch darauf zurück, dass sie „nicht im Supermarkt einfach aus dem Regal genommen, sondern in Apotheken mit Beratung abgegeben werden.“ Unkontrollierte Verkaufskanäle, Lockangebote und der „gute Glaube“ von Konsumenten führten zudem zu einem massiven Anstieg bei Arzneimittelfälschungen.
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