Dr. Oliver Walsberger hat es geschafft: Der Allgemeinmediziner darf in seiner Praxis in Mooskirchen bei Graz Medikamente an seine Kunden abgeben, obwohl die nächst gelegene Apotheke weniger als sechs Kilometer entfernt ist. Dem Bürgermeister der Gemeinde war der Arzt im Ort lieber als die Apotheke nebenan. So hat er eine Straße aufgegeben, um den Weg künstlich zu verlängern.
In Österreich dürfen Ärzte nur dann Arzneimittel abgeben, wenn auf diese Weise die Versorgung in ländlichen Gebieten gesichert wird. Für bestehende Hausapotheken gibt es einen Bestandsschutz, der aber beim Wechsel des Arztes erlischt.
Walsberger wollte die Praxis in Mooskirchen nach dem Tod des bisherigen Inhabers nur unter der Bedingung übernehmen, die bestehende Hausapotheke weiterführen zu dürfen. Doch die Damian-Apotheke im benachbarten Lieboch liegt innerhalb des Einzugsgebietes – selbst nach der Verlegung der Praxisräume in die Nähe eines entstehenden Ärztezentrums blieben 100 Meter, die dem Dispensierrecht im Weg standen.
Doch Bürgermeister Engelbert Huber kam auf einen speziellen Kniff, um das Problem zu lösen: Die Grießstraße, die auf direktem Weg zwischen der Damian-Apotheke und der Praxis liegt, wurde in Privateigentum umgewandelt. Weil damit die Gemeinde nicht mehr für den Winterdienst zuständig war, knickte die Behörde ein: Als nicht mehr ganzjährig befahrbare Straße fließt der Privatweg nicht mehr in die Berechnung der Wegstrecke ein.
Damit müssen Patienten aus Mooskirchen nicht mehr 5,6 Kilometer bis zur Apotheke nach Lieboch fahren, sondern je nach Route 6,0 oder sogar 6,6 Kilometer. Entsprechend wurde Walsberger die Genehmigung für den Betrieb der Hausapotheke erteilt.
Abgeschlossen ist der Fall für den Arzt damit aber noch nicht: Drei Apotheker aus dem Umfeld hatten gegen die Entscheidung der zuständigen Verwaltungsbehörde Einspruch eingelegt; der Fall geht jetzt vor das Landesverwaltungsgericht.
Bürgermeister Huber hatte im Genehmigungsverfahren auf eine angeblich mangelhafte Verkehrssicherheit abgestellt: Die Fahrbahnbreite sei zu gering, zwei ungesicherte Bahnübergänge müssten absolviert werden, und während der Erntezeit seien die Sichtverhältnisse eingeschränkt. Von den gängigen Routenplanern wird die Strecke allerdings nach wie vor als kürzeste Strecke empfohlen.
Auch inhaltlich hatte er die Selbstdispensation verteidigt: Die Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten aus der ärztlichen Hausapotheke sei für Bewohner von Landgemeinden die bestmögliche überhaupt. Vielen Bevölkerungsschichten sei es nicht möglich, eine öffentliche Apotheke zu erreichen, etwa weil sie kein eigenes Auto hätten oder eine öffentliche Verkehrsverbindung zu keiner Tageszeit vorhanden sei. „Ein Weg und alles in kurzer Zeit positiv erledigt; mit Arztbesuch oder bei Hausbesuch des Arztes“, so Huber. „Von Umweltbelastung, Zeitaufwand und ähnlichem abgesehen.“
Der Inhaber der betroffenen Apotheke, Sebastian Dams, konnte die Entscheidung der Gemeinde, die Straße aufzugeben, nicht nachvollziehen. Immerhin versorge der Arzt in Mooskirchen 2000 bis 3000 Patienten. Das Argument, davon könne man nicht leben, hält der Apotheker für „Unsinn“. Ihn stört, wie die Stadt erpresst und Regelungen umgangen wurden.
„Dreist“ fand es Dams, dass sich Walsberger und Huber auch noch in den Medien mit der Umgehung der Rechtslage brüsten. Aus Sicht des Apothekers hätte es auch andere Anwärter für die Ordination gegeben, die nicht auf einer Hausapotheke bestanden hätten. Dass ihm selbst Umsätze entgehen, sei nicht der springende Punkt, betonte Dams.
In Österreich stehen 1330 Haupt- und 30 Filialapotheken insgesamt 870 ärztliche Hausapotheken gegenüber. Über die Selbstdispensation wird regelmäßig kontrovers diskutiert; erst vor einigen Wochen hatte sich die Unternehmensberatung Kreutzer Fischer & Partner (KFP) in einem volkswirtschaftlichen Gutachten dafür ausgesprochen, jede zweite Apotheke zuzusperren und „in den Wirkungsbereich der niedergelassenen Ärzte rückzuintegrieren“. Der niedergelassene Arzt mit Praxisapotheke brauche nicht die volle Gewinnmarge des Apothekers von 8 Prozent beziehungsweise 220.000 Euro vor Steuern, sondern nur die Hälfte, so das Argument.
APOTHEKE ADHOC Debatte