Auf monatelange Mitternachtssonne folgen Polarnächte ohne Dämmerung: Auf Spitzbergen, der norwegischen Insel im arktischen Eismeer, halten zwei Apothekerinnen die Medikamentenversorgung am Laufen. Ihre Apotheke „Apotek Spitsbergen“ befindet sich auf dem 78. Grad nördlicher Breite in Longyearbyen – und ist damit die nördlichste Apotheke der Welt.
Die „Apotek 1 Spitsbergen“ wurde laut Apothekerin Borghild Yttredal im September 2008 eröffnet. Die Apotheke verwende zwar das Logo der größten norwegischen Kette Apotek 1 (Phoenix), befinde sich aber in privater Hand, erklärt sie. Die Besitzerin der Apotheke, Berit Fossland, wohne auf dem norwegischen Festland. Yttredal arbeitet zusammen mit einer Kollegin, die ebenfalls Apothekerin ist, ganzjährig in Longyearbyen. Medikamentenlieferungen kommen zweimal pro Woche, erzählt sie. Allerdings könne sie auch von Montag bis Freitag Sonderbestellungen aufgeben, was im Durchschnitt zweimal pro Monat vorkomme.
Obwohl in Longyearbyen nur etwas mehr als 2000 Menschen dauerhaft leben, versorgen die beiden Apothekerinnen meist etwa 80 bis 90 Kunden pro Tag, zu großen Teilen Touristen und Wissenschaftler. „Die Anzahl der Kunden schwankt daher je nach Monat“, so Yttredal. Derzeit seien es eher 100 Besucher pro Tag, von denen jedoch nur knapp ein Viertel ein verschreibungspflichtiges Medikament fordere. Die Mehrheit kaufe in der Apotheke OTC-Produkte wie Cremes und Salben, denn in dem kleinen Ort Longyearbyen gebe es nur wenige Läden.
Longyearbyen liegt auf der Hauptinsel Spitzbergen, in deren Umgebung mehr als 400 kleinere Inseln und Schären liegen. Der Ort ist die weltweit nördlichste Siedlung, in der permanent mehr als 1000 Menschen leben. Doch auf Spitzbergen befinden sich auch eine Zweigstelle des norwegischen Polarinstituts und das University Centre in Svalbard, ein gemeinsames Arktis-Forschungszentrum norwegischer Universitäten. Daher besuchen viele Polarforscher und Studenten die Region.
Am Sonntag habe die Apotheke immer geschlossen, sagt Yttredal. Notdienst müsse auch nicht geleistet werden, das übernehme das Krankenhaus im Ort. Wenn die Ärzte dort jedoch ein Medikament benötigten, werde in der Apotheke angerufen, so die Apothekerin. Sie und ihre Kollegin seien jedoch nicht verpflichtet, stets erreichbar zu sein. Die nächste Apotheke sei allerdings mehr als eine Flugstunde entfernt auf dem Festland – in Tromsø.
Yttredal kam vor sechs Jahren von der norwegischen Westküste nach Spitzbergen. Ihre Familie wohne immer noch auf dem Festland; sie komme allerdings regelmäßig zu Besuch, erzählt die Apothekerin. Denn genau wie sie schätzen auch ihre Angehörigen die faszinierend schöne Landschaft der Insel. „Und es gibt hier in Longyearbyen viele nette, junge Leute“, nennt Yttredal einen weiteren Vorteil des Standorts.
Im Juli klettern die Temperaturen in dem kleinen Ort auf durchschnittlich knapp sechs Grad. Von Oktober bis einschließlich Mai herrscht dagegen Dauerfrost. In der Sommersaison kämen zahlreiche Touristen zum Wandern oder mit den Kreuzfahrtschiffen nach Spitzbergen, berichtet Yttredal. Im Winter könne die Region mit Hundeschlitten- und Schneemobilfahren aufwarten. „Es ist also immer etwas los“, sagt sie.
Die Mitternachtssonne scheine in Longyearbyen von Mitte April bis etwa Ende September, so die Apothekerin. Dafür gehe sie von November bis Januar gar nicht auf. Trotzdem müsse sie in der Zeit nicht deutlich mehr Antidepressiva verkaufen: Denn es sei sehr angenehm, wenn nach langer Sonnenzeit die Dunkelheit komme. Schließlich habe man bei durchgängigem Tageslicht auch immer den Eindruck, etwas tun zu müssen. „Die Dunkelheit bedeutet also Entspannung“, erklärt Yttredal. „Der Winter ist schön, weil man sich dann mit Freunden gemütlich zu Hause trifft und zur Ruhe kommen kann.“
Auch wenn die Insel Spitzbergen weit abgelegen ist, unterscheidet sich das Leben dort laut Yttredal nicht sehr von Norwegens Festland. Sie bekomme auch nicht mehr Gehalt, weil sie an einem so abgeschiedenen Ort arbeite. Vor 15 Jahren sei das vielleicht noch so gewesen, vermutet sie, weil die Region damals nicht so populär gewesen sei.
Das habe sich aber inzwischen geändert; zusätzliche Bezahlung sei also gar nicht nötig. Allerdings müsse die „Apotek Spitsbergen“ weniger Steuern zahlen als die Apotheken auf dem Festland. So bleibe am Ende doch etwas mehr Geld übrig. Doch das sei nicht ihre Motivation. Ihr gefalle es auf der Insel einfach: „Wenn man diesen Ort mag, mag man ihn sehr. Wenn man sich dagegen hier nicht wohlfühlt, wird man sich auch nie daran gewöhnen“, fasst Yttredal die besondere Magie von Spitzbergen zusammen.
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