Ärzte gegen Kontrazeptiva vom Apotheker APOTHEKE ADHOC, 15.02.2016 13:05 Uhr
In Neuseeland sollten orale Kontrazeptiva auch von entsprechend qualifizierten Apothekern ohne Rezept abgegeben werden dürfen. Das hatte ein Sachverständigenausschuss empfohlen. Dazu sollten die Arzneimittel neu klassifiziert werden. Doch gegen die Empfehlung hat die Schirmorganisation der Ärzte Einspruch eingelegt. Ob die Verhütungsmittel dennoch umklassifiziert werden, wird im Mai entschieden.
Medsafe, das neuseeländische Pendant zum Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), bestätigte, dass es gegen die Neuklassifizierung der Kontrazeptiva einen Einspruch gab. Der Einwand wurde vom „Royal New Zealand College of General Practitioners“ erhoben. Aufgrund des Einspruchs könnte sich die Umklassifizierung der Kontrazeptiva verzögern.
Medsafe-Manager Chris James teilte mit, dass die Behörde den Einwand sowie die Umklassifizierung beim nächsten Treffen des zuständigen Komitees am 3. Mai prüfen werde. Einwände gegen Medikamentenklassifikationen können nur auf Grundlage bis dahin unbeachteter Daten zur Arzneimittelsicherheit erhoben werden. „Finanzielle oder wirtschaftliche Gründe sind keine akzeptable Basis für einen Einspruch“, so James.
Medsafe werde die von den Ärzten vorgebrachten Dokumente prüfen. Daraufhin werde entschieden, ob der Fall an den Sachverständigenausschuss zurück verwiesen wird. Das geschehe nur, wenn substantielle neue Sicherheitsdaten vorlägen, so James. Auch die Antragsteller der Reklassifizierung – die Apothekenkooperation Green Cross Health und die Klassifikationsberaterin Dr. Natalie Gauld – erhielten Gelegenheit, weitere Informationen einzureichen, um ihren Vorschlag zu stützen.
Derzeit nehmen nach Angaben von Green Cross Health etwa 200.000 Neuseeländerinnen die Pille. Bislang können sie das Medikament nur auf Rezept eines Arztes erhalten. Aus Sicht des neuseeländischen Apothekerverbands würde die Abgabe oraler Kontrazeptiva vom Apotheker Frauen den Zugang zu den Verhütungsmitteln erleichtern. Insbesondere an Wochenenden und Feiertagen, an denen Arztpraxen geschlossen seien, könnten Patientinnen die längeren Öffnungszeiten der Apotheken nutzen.
Dabei dürften nur entsprechend ausgebildete Apotheker die Kontrazeptiva ohne Rezept an die Patientinnen abgeben. Zudem muss das Verhütungsmittel der Frau in den zurückliegenden drei Jahren von einem Arzt verordnet worden sein. Bevor den Frauen das Präparat abgegeben wird, müssen die Apotheker darüber hinaus mit ihnen ein Beratungsgespräch führen. Wenn gesundheitliche Risiken festgestellt werden, soll der Apotheker die Kundin an einen Arzt verweisen. Viele Apotheken seien bereits mit einer privaten Beratungszone ausgestattet und daher für diese Gespräche gut vorbereitet, heißt es vom Apothekerverband.
Neuseeland gilt nach zahlreichen OTC-Switches in den vergangenen Jahren als eines der liberalsten Ländern in Sachen Selbstmedikation. 2001 wurde die „Pille danach“, 2004 Fluconazol und Orlistat aus der Rezeptpflicht entlassen. 2005 folgte das hierzulande unbekannte Glucocorticoid Aclometason. 2006 kam mit Sumatriptan das erste Migränemittel in die Sichtwahl – und zur Überraschung der meisten Beobachter wurde sogar Tamiflu (Oseltamivir) unter strengen Auflagen aus der Rezeptpflicht entlassen.