Im Streit um die Hausapotheke eines Allgemeinmediziners im österreichischen Ort Scheifling wurde eine Lösung gefunden: Der Arzt darf weiterhin selbst Arzneimittel abgeben, bis im Ort tatsächlich eine öffentliche Apotheke in Betrieb geht. Arzt Dr. Farhad Dianat und Apothekerin Dr. Monika Reidling haben dem ORF zufolge bereits einen entsprechenden Vertrag unterzeichnet. Beide stritten wegen der zwangsweisen Schließung von Dianats Hausapotheke, die Einwohner des Ortes waren deshalb zu hunderten auf die Straße gegangen.
„Sobald Herr Dr. Dianat aus dem Urlaub zurückkehrt, kann das realisiert werden, sodass er seine Hausapotheke wiederbekommt bis eine öffentliche Apotheke in Scheifling eröffnet. Das heißt, die Bevölkerung ist wieder versorgt“, kündigte der Präsident der steirischen Apothekerkammer, Gerhard Kobinger, an. Dianat ist seit Montag wieder im Dienst. Es sei nur „ein kleiner chirurgischer Eingriff“ nötig gewesen, um das rechtliche Problem zu beheben, so Kolbinger.
Mit dem Kompromiss dürften die Einwohner des Ortes zufrieden sein, war der Konflikt doch daran entbrannt, dass die Hausapotheke schließen musste, ohne dass die Eröffnung der echten Apotheke absehbar wäre. Denn Reidlinger hatte lediglich die Konzession für eine Apotheke in Scheifling erhalten. Die Hausapotheke des Allgemeinmediziners musste trotzdem schließen – das rief in der Bevölkerung Entrüstung hervor. Und nicht nur das. Auch zwischen den Standesvertretungen wurde in den zurückliegenden Tagen viel Porzellan zerschlissen.
Denn die Ärztekammer hatte den Fall genutzt, um für eine Änderung des ganzen Hausapothekensystems zu trommeln. Dieses soll die Arzneimittelversorgung in Orten ohne Apotheke sicherstellen: Ein Landarzt darf einen Arzneimittelvorrat halten und dispensieren, wenn die nächste Apotheke mindestens sechs Kilometer entfernt ist. Die steirische Ärztekammer forderte nun in einem Schreiben an Gesundheitsministerin Brigitte Zarfl, diese Entfernungsvorgabe abzuschaffen und sich stattdessen an den Bedürfnissen der Bevölkerung vor Ort zu orientieren. Außerdem solle die Vergabe einer Konzession nicht mehr zur Schließung einer Hausapotheke führen, wie es in Scheifling der war.
„Das würde ein Apothekensterben am Land sondergleichen auslösen. Also in der Steiermark müssten wir sicher damit rechnen, dass 15 bis 20 Prozent der Apotheken schließen würden und weitere 20 Prozent in ihrem Bestand gefährdet sind. Wir haben 70 Prozent Rezeptumsatz und wenn der weg ist, dann kann die Apotheke nicht mehr existieren, das ist so“, erwidert Kobinger.
Am Rande äußerte die Ärztekammer darüber hinaus Zweifel an der Bedeutung des Fachwissens der Pharmazeuten. Die sei zu hinterfragen, schließlich würden mittlerweile fast alle Arzneimittel industriell gefertigt. „Das muss irgendeinem Kammerfunktionär eingefallen sein“, so Kobinger, "Wenn der sagt, 95 Prozent sind industriell gefertigt, dann brauchen wir kein pharmazeutisches Wissen und keine Beratung, dann hat er einfach nicht verstanden was Apotheken tun und leisten.“ Das einst gute Verhältnis zwischen den beiden Kammern habe durch solche Äußerungen Schaden genommen. Es gebe deshalb nun deutlichen gesprächsbedarf, um wieder auf einen grünen Zweig zu kommen.
Der steirische 2000-Einwohner-Ort Scheilfing war in den vergangenen Wochen mehrfach österreichweit in der Presse, weil die Einwohner sich öffentlichkeitswirksam gegen die Schließung einer Hausapotheke wehren. Unter anderem haben 300 bis 400 Anwohner mit mehreren Traktoren eine zentrale Kreuzung gesperrt. Die Konzessionsinhaber, Betreiber der Apotheke zur Mariahilf im benachbarten Neumarkt, hatten sich daraufhin zu Wort gemeldet und eine möglichst schnelle Apothekeneröffnung versprochen, um die Versorgungslücke zu schließen.
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