In der Schweiz hat eine Apotheke mitten in der Corona-Krise vorübergehend geschlossen. Auslöser war ein Shitstorm, der über den Inhaber und sein Team hereingebrochen war: Kunden durften die Apotheke in den vergangenen Tagen nur noch mit Mundschutz betreten – und sollten dafür zahlen.
„Wegen extremem Stress und Belastung gönnen wir uns ein paar Tage Ruhe. Wir sind ab Mittwoch wieder für Sie da.“ Diese Nachricht hat Apotheker Elmar Peretti auf den Anrufbeantworter seiner Schlüssel-Apotheke in Rheineck am Bodensee gesprochen. Grund für die vorübergehende Schließung ist aber nicht der Ansturm wegen der Corona-Krise, sondern ein Sturm der Entrüstung, den der Apotheker mit einer ungewöhnlichen Maßnahme ausgelöst hat.
Am vergangenen Freitag berichtete das Nachrichtenportal FM1 Today, dass nur noch Kunden in die Apotheke gelassen werden, die einen Mundschutz tragen. Auf einem Zettel an der Eingangstür war demnach zu lesen: „Maskentragepflicht. In der Sicherheitskabine für jedermann. Wer keine Maske hat, für den erheben wir einen Unkostenanteil für die Maskenabgabe von drei Franken.“
Schon die Sicherheitskabine fand die Journalistin ungewöhnlich: Von einer Schutzwand umgeben, konnten Kunden durch eine Plexiglasscheibe hindurch beim Personal ihre Bestellungen aufgeben. Trotzdem wurde auch noch das Tragen einer Maske gefordert – die die Kunden auch noch selbst bezahlen sollten.
Die Reporterin fragte nach: „Die Kosten, die ich für die Schutzmasken verlange, sind reine Selbstkosten“, wurde Peretti in dem Bericht zitiert. Nur 30 Prozent seiner Kunden verstünden nicht, weshalb sie drei Franken zahlen müssten; die Mehrheit sei dagegen froh, in diesen Zeiten ein Expemplar zu erhalten. Er verstehe ohnehin nicht, wieso Schutzmasken nicht längst Pflicht im öffentlichen Raum seien. „Meine Kunden müssen die Masken auch zu meinem Schutz tragen. Wenn ich krank bin, kann ich ja nicht mehr für sie da sein.“
Doch am Montag drehte die Autorin die Geschichte noch einmal nach: Bei einer Pressekonferenz danach befragt, habe Daniel Koch, Leiter übertragbare Krankheiten beim Bundesamt für Gesundheit (BAG), geantwortet: „Das finde ich ein bisschen problematisch. Wenn die Apotheke ihren Kunden die Masken gratis abgeben würde, wäre das absolut kein Problem. Doch die Kunden zur Kasse zu bitten, finde ich problematisch.“ Wenn überhaupt wäre eine solche Maßnahme nur bei kranken Personen angebracht; eine Maskenpflicht für alle finde er „ein bisschen übertrieben“.
FM1 Today fragte auch bei der Stiftung für Konsumentenschutz nach: Hier vertritt man demnach die Auffassung, dass bei einer Mundschutzpflicht die entsprechenden Masken gratis zur Verfügung gestellt werden dürften und allenfalls auf freiwilliger Basis um einen Unkostenbeitrag gebeten werden dürfe. Andererseits sei das Vorgehen des Apothekers rechtlich nicht beanstanden: „Solange er niemanden diskriminiert oder gegen gesetzliche Pflichten verstößt, darf er eine Maskentragepflicht aufstellen.“
Auch beim Apothekerverband St. Gallen-Appenzell gibt es laut FM1 Today jedoch kein Verständnis für die Aktion: „Wir haben unseren Mitgliedern Empfehlungen abgegeben, unter anderem, ohne Maske zu arbeiten“, wird Präsidentin Claudia Meier-Uffer zitiert. „Wir predigen andauernd, dass nur Leute, die mit dem Coronavirus infiziert sind oder allenfalls Kontakt mit Infizierten haben, Masken tragen sollen. Für mich ist die Aktion der Rheinecker Apotheke falsche Solidarität.“
Ein letztes Mal verteidigte Peretti seine Aktion: „Wir können die Schutzmasken gerne gratis abgeben, wir schicken Herrn Koch dann unsere Unkostenrechnung.“ Gerne würde er als „Frontmann“ mit dem Behördenchef über die verzwickte Lage sprechen, an einem „Kumulationspunkt von Coronaviren“ zu sein: „Die große Schwierigkeit in diesen Tagen ist, zwischen Patienten und Nicht-Patienten unterscheiden zu können.“
Doch schon am Montag kündigte er bei FM1 Today an, seine Apotheke zu schließen – „damit sich die durch Ihre Berichterstattung ausgelöste Negativwelle gegen unser Geschäft etwas glättet“. Er sei überzeugt, dass in der Schweiz bald – so wie im Nachbarland Österreich – eine Maskenpflicht einführt werde: „Ich kann dann endlich so sicher arbeiten, wie die wissenschaftliche Literatur es bereits klar beschrieben hat.“
Koch hatte solchen Plänen bei der Pressekonferenz bereits eine Absage erteilt: Rund 300 Millionen Masken wären nötig, um die Bevölkerung flächendeckend zu versorgen, sagte er. Derzeit würden für Ärzte, Pflegepersonal und Kranke täglich eine bis zwei Millionen Masken benötigt. Zumindest dieser Bedarf sei derzeit gesichert.
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