„7 Stunden auf den Arzt gewartet“

Morbides Gesundheitssystem: Bald Zustände wie in der Türkei? Sandra Piontek, 24.07.2024 08:59 Uhr

Die Flure eines Krankenhauses in der Türkei sind bereits in den Morgenstunden überfüllt. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

In der Türkei gehöre es mittlerweile zum Alltag, stundenlang in einem Krankenhaus auf ein Arztgespräch zu warten, so eine Inhaberin. „Wir haben von 9 bis 16 Uhr auf dem Flur gestanden, nur um dann zehn Minuten mit dem Arzt zu sprechen“, berichtet sie über einen Krankenhausaufenthalt während ihres Urlaubs. Sie ist überzeugt: „Das deutsche Gesundheitssystem steuert gerade in genau diese Richtung.“ Karl Lauterbach wünsche sich solche Zustände.

„Solche Zustände wünscht sich Lauterbach“, so die Inhaberin, die sich dabei auf die vollen Gänge in türkischen Krankenhäusern bezieht. Bei einem Besuch in ihrer Heimat musste sie einen Arzt aufsuchen. „In der Türkei müssen Menschen, die hierzulande zum Hausarzt gehen könnten, stundenlang auf ein Arztgespräch warten“, so die Apothekerin. „Die Patienten stehen sich die Beine in den Bauch und warten nicht selten mehr als sechs Stunden“, berichtet sie.

Mehr noch: „Die Schlangen vor dem Tresen sprengen jede Flughafenschlange, besonders weil einige ohne Termin, also akut da sind“, so die Apothekerin. „Auch für eine Krankmeldung stellt man sich vor den entsprechenden Arztzimmern auf.“

Keine Diskretion

Dabei sei es „egal“, welche Erkrankung vorliege. Sitzgelegenheiten seien absolute Mangelware. „Diskretion ist leider ein Fremdwort. Während man selber noch in Behandlung ist, kommt der nächste rein oder irgendeiner steckt seinen Kopf durch die Tür und fragt, ob er eventuell seinen Aufruf verpasst hat“, berichtet sie. „Manche kommen sogar einfach rein und diktierten der Arzthelferin, die in so einer Art Vorraum ohne Abtrennung sitzt, ihre Medikamentenwünsche.“

Doch damit nicht genug: „Wenn man Pech hat, war der Weg umsonst. Denn eine Garantie, dass man am selben Tag drankommt, gibt es nicht“, so die Pharamazeutin. Die schlimmsten Zustände herrschten in einem staatlichen Krankenhaus: „Also da, wo alle gesetzlich Versicherten hingehen. In einem privaten Krankenhaus müsste man erst seine Niere verkaufen – bei den Behandlungspreisen.“

Deutschland geht in diese Richtung

Sie ist überzeugt: „Das deutsche Gesundheitssystem steuert genau in diese Richtung.“ Auch das türkische Gesundheitssystem ist so runtergespart worden, dass „man entweder grade so am Leben gelassen wird oder sich hoch verschulden muss, um einen Privatarzt zu besuchen“.

Die Reformen in Deutschland sehen vor, dass Krankenhausärzt:innen stundenweise die ambulante Versorgung mittragen. Konkret: Mit dem Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz sollen die Kliniken für die ambulante ärztliche Versorgung geöffnet werden. Die Sorge, dass die Zustände, wie sie in der Türkei herrschen, auch in Deutschland ankommen, ist groß: „Das ist vielleicht unsere Zukunft“, so die Apothekerin. Denn: „Die meisten türkischen Ärzte fliehen bereits ins Ausland, da die Arbeitsbedienungen nicht mehr dem Gehalt entsprechen.“ Das verschlimmere den gravierenden Ärztemangel. „Da es kaum Praxen außerhalb der Krankenhäuser gibt, sind die Notaufnahme überfüllt.“