Nach der Überarbeitung des Schweizer Heilmittelgesetzes soll das Verordnungsrecht umfassend angepasst werden. Unter anderem ist in dem Entwurf vorgesehen, dass Apotheken einige bisher verschreibungspflichtige Medikamente künftig ohne Rezept an Patienten abgeben dürfen. Welche Arzneimittel dafür in Frage kommen, muss allerdings noch festgelegt werden. Dafür sollen OTC in die Drogerie entlassen werden. Bis vor wenigen Tagen konnten beteiligte Institutionen ihre Sicht der Dinge in einem Stellungnahmeverfahren darlegen.
Das Ziel des sogenannten Heilmittelverordnungspakets IV ist es, den Zugang zu Medikamenten für die Schweizer einfacher zu machen: Einerseits sollen künftig alle nicht verschreibungspflichtigen Medikamente in Drogerien abgegeben werden dürfen. Anderseits sollen Apotheker bei bestimmten Indikationen gewisse bisher rezeptpflichtige Medikamente auch ohne Rezept abgeben dürfen. Daran, welche Arzneimittel das sein dürfen, scheiden sich nun die Ärzte- und Apothekergeister.
Aus der Sicht der Apotheken soll es um Medikamente gehen, die häufig nachgefragt werden: Denn damit könnten Hausärzte und Notfalleinrichtungen von eindeutigen und einfachen Fällen entlastet werden, wovon letztlich auch die Versicherten profitierten, sagte der Präsident des Apothekerverbandes Pharmasuisse, Fabian Vaucher, kürzlich in einem Interview.
Zwar begrüßt Pharmasuisse in seiner Stellungnahme grundsätzlich die Systematik der Bestimmungen über die Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ohne Rezept. Nicht einverstanden sind die Apotheker allerdings mit dem vorgeschlagenen generellen Verbot der Abgabe von antimikrobiellen Wirkstoffen. Dies lasse sich nicht mit dem Auftrag des Gesetzgebers vereinbaren und sei zudem völlig unverhältnismäßig.
Apotheker seien über den Einsatz und die Wirkung von antimikrobiellen Wirkstoffen bestens ausgebildet, heißt es weiter. Sie hätten bereits jahrelange Erfahrung in der Anwendung dieser Wirkstoffe und könnten dazu beitragen, dass diese Medikamente richtig eingesetzt würden. Die Anwendung von anerkannten Therapieschemen sowie die Dokumentationspflicht sollen nach Ansicht von Pharmasuisse den sachgemäßen Einsatz und die Kontrolle sicherstellen.
Eine weiterer Kritikpunkt der Apotheker: In dem Entwurf sind nur Arzneimittel der Liste B für eine Abgabe ohne ärztliches Rezept vorgesehen. Bei der Kategorie B geht es in erster Linie um Dauer-Rezepte für Medikamente, die wiederholt bezogen werden und rezeptpflichtig sind. Bei Vorliegen eines validierten Behandlungsschemas seien Arzneimittel der Liste A und B aber genau gleich sicher, betont Pharmasuisse in der Stellungnahme. Als Fachspezialist für Arzneimittel könne der Apotheker sie deshalb auch abgeben.
Das sehen die Ärzte vollkommen anders. Sowohl der Ärzteverband FMH als auch der Verein der Leitenden Spitalärzte Schweiz (VLSS) hinterfragen sogar die rezeptfreie Abgabe von Medikamenten der Liste B durch Apotheker. Im Gegensatz zu anerkannten Behandlungsrichtlinien gebe es keine anerkannten Algorithmen, welche dem Apotheker im Sinn einer Triage helfen würden, die richtige Indikation für ein bestimmtes heute rezeptpflichtiges Medikament zu finden, heißt es in der Stellungnahme des FMH. Die heute verwendeten Algorithmen unterlägen letztinstanzlich der ärztlichen Verantwortung. FMH bemängelte außerdem, dass eine Liste der betroffenen Arzneimittel bis heute fehlt.
Krankenversicherer halten die Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel ohne ärztliches Rezept durch Apotheker naturgemäß dann für sinnvoll, wenn dadurch Arztbesuche vermieden werden können. Curafutura schlägt sich auf die Seite der Apotheker und erklärt einen Ausschluss von Arzneimittelgruppen wie systemische Antibiotikabehandlungen für nicht verhältnismäßig. Die Minimalanforderungen der Verschreibungen müssten auf das absolut notwendige Minimum reduziert werden, um unnötigen Aufwand zu vermeiden, heißt es in der Stellungnahme des Krankenversichererverbands.
Auch der Schweizer Krankenkassenverband Santésuisse stellt sich auf den Standpunkt, dass die Abgabe ohne ärztliche Verschreibung nicht auf die Medikamente der Abgabekategorie B beschränkt werden, sondern für alle Kategorien möglich sein sollte.
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