Österreich

„Marktferne Elemente“: Ärzte ätzen gegen Apotheken Patrick Hollstein, 16.08.2019 09:39 Uhr aktualisiert am 16.08.2019 14:55 Uhr

Berlin - 

In Österreich soll das Apothekengesetz reformiert werden – vorausgesetzt natürlich, es gibt eine neue Regierung. Über mögliche Neuerungen wird derweil munter weiter diskutiert. Nach den Großhändlern gehen jetzt die Ärzte gegen die Vorstellungen der Pharmazeuten auf die Barrikaden.

Konkret geht es um die Einführung einer neuen Aut-idem-Regelung, die die Ärzte kategorisch ablehnen. Wie schon in der Vergangenheit sind die Standesvertreter dabei alles andere als zimperlich: Die Ärztekammer Tirol verweist darauf, dass sich trotz Apothekenmonopol, Bedarfsplanung und Preisbindung die Fälle häufen, in denen wichtige Medikamente nicht lieferbar sind. „Offensichtlich sind die Apotheken trotz der Schutzgesetze nicht in der Lage eine lückenlose Versorgung zu garantieren“, heißt es in einer aktuellen Erklärung.

Ärztepräsident Artur Wechselberger: „Wenn diese protektionistischen und marktfernen Elemente keinen Schutz vor Unterversorgung bieten, erscheint es geradezu paradox, die Privilegien der Apotheken zu stärken und sie mit der Auswahl von Alternativmedikamenten zu betrauen.“

Prompt folgt der Ruf nach der Erweiterung des Dispensierrechts: Am kürzesten sei der Weg für Patienten, wenn die Abgabe direkt beim Arzt in seiner ärztlichen Hausapotheke erfolge. „Leider hat die Bundespolitik diese wohnortnahe und patientenfreundliche Versorgungsform zu wenig unterstützt. Die derzeitige Misere zeigt klar, dass ein Ausbau der hausärztlichen Versorgung in Kombination mit einer ärztlichen Hausapotheke eine probate Möglichkeit zur Sicherung der Medikamentenversorgung darstellt.“

In das gleiche Horn stößt Johannes Steinhart, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte: Sollten die Apotheken keine flächendeckende Versorgung mehr garantieren können, bringe sich die Ärztekammer gerne mit Vorschlägen zur Problemlösung ein. „Beispielsweise würde eine Ausweitung der Hausapotheken schlagartig die patientennahe Versorgung und das Patientenservice verbessern“, so Steinhart. Gleichzeitig würde dies eine Erleichterung für die anscheinend überlasteten Apotheken bedeuten.

Dass man die bisherige Kilometergrenze überdenken sollte, sei nach den Vorkommnissen rund um die Hausapotheke im steirischen Scheifling ohnehin offensichtlich. „Dort ist deutlich zu Tage getreten, wie gering die Versorgung der Patienten im Vergleich zum Kampf um Prinzipien geachtet wird“, so Steinhart. Hausapotheken könnrwn gerade für Menschen mit eingeschränkter Mobilität eine große Entlastung bringen und auch dafür sorgen, dass wieder vermehrt Ärzte die Versorgung von Kassenpatienten übernehmen: „Dann braucht Patientenanwalt Gerald Bachinger nicht mehr obskuren Ideen über Zwangsdienste von Medizinern nachhängen und auch nicht mehr die Interessen bestimmter merkantil orientierter Apothekerkreise vertreten, sondern sich wieder für das Wohl von Patientinnen und Patienten einsetzen – sehr gerne natürlich mit uns gemeinsam.“

Die Apothekerkammer ließ sich nicht provozieren: Vizepräsident Raimund Podroschko stellte klar, dass der Austausch durch ein wirkstoffgleiches Präparat ausschließlich erlaubt werden soll, wenn der Arzt nicht erreichbar ist sei. „Das kann außerhalb der Ordinationszeiten vorkommen und soll nicht dazu führen, dass die Patienten ohne ihr Medikament nach Hause gehen müssen, falls ein wirkstoffgleicher Ersatz verfügbar ist“, ergänzte Christian Wurstbauer, 2. Vizepräsident. „In allen anderen Fällen lösen die Apothekerinnen und Apotheker – wie bisher – anstehende Probleme in kollegialer Rücksprache mit den Ärzten. Wir haben bereits Kontakt zur Ärztekammer aufgenommen, um aufgekommene Missverständnisse im persönlichen Gespräch auszuräumen und eine Lösung für die Praxis zu erarbeiten.“