Es klingt wie ein verspäteter Aprilscherz: Ein junger Brite sagt, nach der Einnahme des Schmerzmittels Pregabalin sei in ihm die Lust auf Männer erwacht. Zu seinen heterosexuellen Zeiten will er nicht mehr zurück.
Scott Purdy lebt in Louth in der englischen Grafschaft Lincolnshire. Vor sechs Jahren brach er sich bei einem Go-Kart-Unfall einen Fuß. Ganz heilen werde er nicht mehr, sagten ihm die Ärzte. Zur Linderung seiner Schmerzen probierte er im Laufe der Jahre einige Medikamente, darunter Codein und Tramal (Tramadol). Doch die Nebenwirkungen seien sehr unangenehm gewesen. „Mir war ständig übel“, erzählte Purdy im Interview mit dem Fernsehsender ITV. Der Allgemeinarzt habe im Februar die Medikation auf Pregabalin umgestellt. Purdys Beschwerden besserten sich schnell. Doch dabei blieb es nicht. Schon vier oder fünf Tage nach Beginn der Therapie sei sein Interesse für das eigene Geschlecht erwacht, berichtet er. „Alles, was ich wollte, war Kontakt mit Männern.“
Es habe eine Weile gedauert, bis er seine geänderte sexuelle Präferenz mit dem Medikament in Verbindung brachte. „Ich setzte es zwischendurch für ein paar Wochen ab und meine Lust auf Männer verschwand“, so Purdy im Interview. „Ich konnte wieder mit meiner Freundin schmusen und intim sein. Aber dann kamen die Schmerzen in meinem Fuß zurück.“ Er nahm wieder Pregabalin und beendete seine Beziehung. Vorher habe er sich für Männer gar nicht interessiert, beteuerte Purdy. Nur in seiner Jugend sei er mal „neugierig“ auf gleichgeschlechtlichen Sex gewesen, zufrieden habe ihn die Erfahrung nicht gemacht. „Ich bin sehr glücklich jetzt, ich habe Angst, dass ich wieder da ankomme, wo ich vorher war, aber das will ich gar nicht.“
Dr. Ranj, der medizinische Experte des TV-Senders, bezweifelt, dass Prebagalin für Purdys plötzliche Homosexualität verantwortlich ist. Der Wirkstoff beruhige die Aktivitäten der Nerven und komme deswegen zur Bekämpfung von Schmerzen, aber auch von Angstzuständen zum Einsatz, erklärte er. Zu den möglichen Nebenwirkungen gehörten auch sexuelle Funktionsstörungen. Die meisten bemerkten einen Rückgang ihrer Libido, aber bei manchen könne sich genau das Gegenteil einstellen. „Pregabalin hat das nach außen gebracht, was schon vorhanden war“, erklärte er dem Studiogast. „Alles was es getan hat, war, dir dabei zu helfen, der zu sein, der du bist.“ Sexualität könne fließend sein, da gebe es kein Schwarz oder Weiß. „An einem Punkt eines Lebens fühlt man sich zu Frauen hingezogen, dann vielleicht zu einem Mann.“
In der Sendung vorausgegangenen Zeitungsartikeln hielt Purdy ein Pregabalin-Generikum des indischen Herstellers Wockhardt in die Kamera. Pfizer, der Hersteller des Originalmedikaments Lyrica, reagiert zurückhaltend auf die Kunde aus Großbritannien: „Wir gehen selbstverständlich jedem Nebenwirkungsfall nach und haben auch diesen entsprechend gemeldet“, sagt eine Konzernsprecherin. „Bei der Einnahme eines Medikamentes kann es grundsätzlich zu unerwarteten Nebenwirkungen kommen. Sollten Patienten diese bemerken, empfehlen wir, dass sie die unerwartete Nebenwirkung unverzüglich ihrem Arzt oder einem anderen medizinischen Fachpersonal mitteilen.“
Mögliche Nebenwirkungen könnten über die Website direkt gemeldet werden. „Patientensicherheit ist und bleibt unsere oberste Priorität: Wir arbeiten mit Aufsichtsbehörden auf der ganzen Welt zusammen, um die Sicherheit für jedes einzelne Pfizer-Medikament durch laufende klinische Forschung, Analyse und Überwachung kontinuierlich zu bewerten und zu kontrollieren.“
Bei ordnungsgemäßer Verordnung und Einnahme sei Pregabalin eine wichtige und wirksame Therapieoption für viele Erwachsene, die mit chronischen neuropathischen Schmerzen, generalisierten Angststörungen und Epilepsie leben müssten. „Viele Patienten benötigen diese Arzneimittel, um diese Erkrankungen zu beherrschen, die ohne ein effektives Langzeitmanagement mit Behinderungen einhergehen und beträchtliche Auswirkungen auf das alltägliche Leben haben können.“
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