Erst seit vergangenem Mittwoch hat die Linzer Schutzengel-Apotheke einen Gesichtsscan von Bayer installiert. Mithilfe von Videokameras sollten die Gesichter ihrer Kunden gescannt werden, um ihnen geschlechts- und altersspezifische Werbung zu zeigen. Eigentlich war das Projekt auf drei Monate angelegt. Nach heftiger Kritik wurde der Test nach nur wenigen Tagen beendet.
Alle drei Gesichtsscanner wurden nach Angaben einer Mitarbeiterin heute abgebaut und sind aus der Offizin verschwunden. Nach Zeitungsberichten hätten zahlreiche Kunden in der Apotheke angerufen und angekündigt, die Schutzengel-Apotheke zu meiden, solange die Gesichtsscanner dort stünden, sagte sie gegenüber APOTHEKE ADHOC.
Erst am vergangenen Mittwoch waren die Gesichtsscanner in der Schutzengel-Apotheke installiert worden. Drei digitale Bildschirme wurden laut Apothekeninhaber Jörg Mayrhofer vom Pharmakonzern Bayer zur Verfügung gestellt: Ein Scanner stand als Aufsteller neben einem Medikamentenregal, ein anderer auf dem Tresen. Beide Scanner waren mit einer Kamera ausgestattet, die die Gesichter der Kunden scannen und erkennen sollen, ob sie weiblich oder männlich und älter oder jünger sind. Je nach Ergebnis wurde Werbung für ein bestimmtes Produkt eingespielt. Außerdem befand sich noch ein drittes Werbe-Display ohne Kamera in der Apotheke.
Doch es hagelte Kritik an dem Versuch. Datenschützer witterten schwere Mängel und auch in den sozialen Netzwerken wurde die Aktion nicht gerade wohlwollend aufgenommen. Die deutsche Bürgerrechtsorganisation Digitalcourage bezeichnete die Gesichtserkennung in Apotheken auf Anfrage von „Spiegel online“ als ungefragtes Eindringen in die Privatsphäre. „Bayer informiert zwar darüber, aber von einer Einwilligung kann nicht die Rede sein“, sagte eine Sprecherin. Wer nicht überwacht werden wolle, müsse woanders einkaufen, das sei eine „Friss-oder-Stirb-Mentalität“.
Bayer betonte dagegen, dass die Technologie auf datenschutzrechtliche Unbedenklichkeit geprüft und mit dem ePrivacy-Siegel zertifiziert wurde. Der Konzern versprach, dass Bilder „nicht gespeichert und keinesfalls weitergegeben werden“. Die Aufnahmen der Kunden würden sofort wieder gelöscht, versicherte eine Sprecherin. Mittels eines Gesichtsscan werde ausschließlich das ungefähre Alter und das Geschlecht erhoben. Die Erkennungs-Algorithmen liefen lokal und arbeiteten in Echtzeit, so die Sprecherin weiter.
Eine Verknüpfung mit weiteren Daten erfolgte ihren Angaben nach nicht. Aus den erfassten Daten werde in Sekundenbruchteilen ein sogenannter „Hash-Wert“ generiert, bei dem keinerlei Personenbezug mehr vorliege. „Die Bilder werden sofort nach dieser Verarbeitung gelöscht und es besteht keine Möglichkeit, die Person zu identifizieren“, versicherte die Sprecherin.
Damit wird es auch unwahrscheinlicher, dass solche Systeme Eingang in deutsche Apotheken finden. Ein Sprecher von Bayer wollte sich vor wenigen Tagen nicht darüber äußern, ob entsprechende Pläne auch in Deutschland verfolgt werden. Bei „Spiegel online“ teilte der Konzern allerdings mit, dass eine Entscheidung über den Einsatz des Systems in Deutschland noch nicht getroffen sei. Man wolle abwarten, wie die Tests in Österreich liefen. Ob der Test in der zweiten österreichischen Apotheke weiter läuft, ist bisher nicht bekannt.
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