Österreich

Großhändler fordern Krisenvorrat APOTHEKE ADHOC, 30.06.2014 15:16 Uhr

Berlin - 

Lieferengpässe haben in Österreich zuletzt die Grundschüler zu spüren bekommen – der Pharmakonzern Sanofi Pasteur konnte den Impfstoff Repevax gegen Diphtherie, Polio, Tetanus und Keuchhusten nicht ausgeben. Nun hat Dr. Andreas Windischbauer, Vorstandsvorsitzender der Celesio-Tochter Herba Chemosan und Präsident des Verbands der österreichischen Arzneimittelgroßhändler Phago, auch für andere Medikamente die Alarmglocke geläutet. Bei jedem vierten Arzneimittel müsse der Nachschub aus dem Ausland kommen, sagte Windischbauer der österreichischen Tageszeitung „Wirtschaftsblatt“.

Grund für die Verzögerungen bei den Lieferungen sei, dass ein Viertel aller Arzneimittel für den österreichischen Markt im Ausland gelagert würden, sagte Windischbauer. Darum dauere es bei großer Nachfrage zwangsläufig länger, bis die entsprechenden Medikamente bei den Großhändlern seien und ausgeliefert werden könnten.

Um diese Verzögerungen im Notfall ausgleichen zu können, sollte für lebenswichtige Präparate ein nationaler Krisenvorrat eingerichtet werden, so Windischbauer. Auf diesen könne dann bei Engpässen zurückgegriffen werden. Ein ähnliches Modell hatte es bis vor kurzem in Salzburg für Antidiabetika gegeben, es wurde im Zuge von Haushaltskürzungen aber wieder eingestellt.

„Wir verfügen über die entsprechende Erfahrung, wie man einen Krisenvorrat einrichtet, und vor allem, wie man diesen pflegt, damit durch Produktabläufe nicht finanzielle Verluste in Kauf genommen werden müssen“, sagte Phago-Generalsekretär Professor Heinz Krammer. Für die Umsetzung dieser Präventivmaßnahme sei aber auch die Unterstützung der öffentlichen Hand nötig.

Lieferengpässe entstehen laut Windischbauer aber nicht nur wegen der langen Wege von der Fertigungsstätte bis zum Großhändler. Auch werde die Produktionsplanung für Hersteller immer schwieriger, es gebe höhere Qualitätsanforderungen bei den produzierten Rohstoffen und komplexere Produktionsprozesse.

Gleichzeitig werde die Nachfrage immer weniger planbar. Zwar stellten die ständigen Lieferengpässe noch keine Versorgungsprobleme dar, sagte Windischbauer, die Belieferung der Apotheken laufe grundsätzlich sehr gut. Trotzdem seien Gegenstrategien erforderlich.

Neben dem Krisenvorrat will Phago zudem ab Herbst eine Transparenzdatenbank starten. Dort könne das jeweilige Pharmaunternehmen bei kurz- oder längerfristigen Lieferschwierigkeiten direkt eingeben, wann das Medikament wieder zur Verfügung stehe und was der Grund für den Lieferausfall sei, sagte Krammer: „Dank dieser Informationen kann der Apotheker gemeinsam mit dem verschreibenden Arzt im Falle des Falles ein alternatives Medikament suchen.“ Apotheker könnten ihren Kunden dann genau sagen, wann das betreffende Präparat wieder lieferbar sei.

In Deutschland gibt es bereits ein vergleichbares Modell: Hier sollen Hersteller das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) über Lieferengpässe bei wichtigen Arzneimitteln informieren. Die Meldung ist bislang aber freiwillig.

Vonseiten der Pharmaindustrie wird oft bestritten, dass überhaupt ein Problem besteht: So hatte Dr. Siegfried Throm, Geschäftsführer Forschung/Entwicklung/Innovation beim Verband der forschenden Arzneimittelhersteller (VFA), Lieferengpässe als „extrem selten“ bezeichnet. Sie stellten kein Problem bei der Versorgung von Patienten dar.

Das hatte ihm scharfe Kritik von Apothekern eingebracht: Dr. Hans Rudolf Diefenbach, stellvertretender Vorsitzender des Hessischen Apothekerverbands (HAV), sagte, diese Aussage zeuge von völliger Unkenntnis und sei ein Schlag ins Gesicht aller Patienten, die dringend auf ihre Arzneimittel angewiesen seien. Diefenbach hatte Anfang des Jahres mehr als 400 Defektlisten eingesammelt. Durchschnittlich hatte jede Apotheke 40 Medikamente angegeben, die nicht geliefert werden konnten.

Um Lieferengpässe bei Impfstoffen zu vermeiden, will die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD festlegen, dass Krankenkassen immer mit mindestens zwei Herstellern einen Vertrag dafür schließen müssen. Die ABDA hatte von der Regierung sogar ein Verbot aller Exklusivverträge der Krankenkassen gefordert.